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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 1)

 
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So locken Ury auch die ge- 
heimnisvollen Stunden derFrühe. 
Ein solches Bild der ersten jung- 
fräulichen Helle gibt er von einem 
italienischen See und er trifft dies 
unsagbarZarte, dasUnterirdische, 
dies sich Lösen aus" Schleier und 
Hüllen, das Lebendigwerden, das 
Galathee-Erröten und sich Regen 
der Natur, die neu geboren wird 
an jedem Tage. 
Die große ruhevolle Stille der 
paysage intime ist in jenem Bild 
vom Rheinsberger See, mit den 
schwimmenden Wasserrosen, ein 
an sich nicht originelles Motiv, 
das aber hier durch Duft und 
Dunkel seelisch vertieft ist. Und 
voll Schweigen, wie ein Hauch, 
sind jene Bäume am Ufer, die 
graufiorig in Wolken stehen. 
Dann aber Hammt dieses 
Künstlers Farbenleidenschaft lich- 
terloh; ein Feuerwerk-Furioso der 
Koloristik prasselt los; die „stärk- 
sten von seinen Künsten" läßt er 
in den Stimmungen südlicher 
Mittagsstunden spielen. Als wolle 
er rivalisieren mit den Hammen- 
den Pfeilen und den glühenden 
Strömen, die die Sonne über die weißen Mauern schüttet, über pralle schattenlose, steinige 
Uferwege, die nun von fast unwahrscheinlichen kaleidoskopischen Wellen überspielt 
werden, rausch-verwirrend für nordische Augen. 
Bilder dieses großen einsamen Künstlers zu sehen, wird dem Empfänglichen immer 
Ereignis voll langem Nachschwingen sein. 
Erlebnisvoll wird auch die Betrachtung eines Werkes von dem Bildhauer Flaum. 
Flaums frühere Skulpturen standen im Bann gewisser erotisch-philosophischer 
Dämonien, wie sie literarisch von Przybyschewski und im Bilde von Rops, Munch und 
Kubin kultiviert wurden. Motiv war meist das Geschlechtsmysterium in Walpurgisnachts- 
gesichten geschaut. _ 
Aus solchen oft vagen, oft auch grellen Satanismen, die ihren literarischen Ursprung 
deutlich an der Stirn und überall trugen, fand Flaum zu einer eigenen tiefen, gedanken- 
und gefühlsreichen Menschenwelt in seinem Shakespeare-Haupt. Das ist keine kon- 
ventionelle „Klassiker"büste, die mit Anlehnung an zweifelhafte Abbilder den Mann aus 
Stratford on Avon in seiner äußeren Erscheinung dem kindlichen Bedürfnis nach sinn- 
licher Wahrnehmung unvollkommen nahe bringen will. 
Das ist von schau- und gestaltungsstarken Händen geformt ein „imaginäres Porträ ", 
ein „Bildnis und Gleichnis" der Vorstellung „Shakespeare": in ein Menschenantlitz 
gebannt die ganze Schicksalswelt voll Leidenschaft, voll Affekte, voll Verachtung und 
bitterem Gelächter. 
Dieser Kopf, der aus einem kühn geschnittenen Fundamente aufwächst, wird nicht 
auf den ersten Blick erobert. Er wechselt seine Ziige und überrascht immer wieder; eine 
Bauerni-igur, Holzschnitzerei, Bauernfigur, Holzschnitzerei, 
Facbschule Bozen Fachschule Bozen
	        
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