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Tanz als sichtbarer Gesang, sichtbare
Deklamation. Daß die Duncan So-
phokles oder Moschos tanze, redet sie
sich natürlich nur ein. Aber sie tanzt
ihre naive Empfindung von diesen
Dingen, und zwar mit einer körper-
lichen Schlauheit, die jedes richtige
Weib hat, wenn es anderen etwas
einreden will. Und das ist etwas Ech-
tes, aus den Sinnen heraus Fließendes.
Nun kommt wieder eine Versucherin
vonVersuchen, die jugendliche Münch-
nerin Rita Sacchetto. Vater italieni-
scher Künstler, Mutter Wienerin. Ein
ausgesprochenes Tanztalent, von Kin-
desbeinen auf. Sie legt sich die Tänze
zurecht nach ihrer Persönlichkeit;
Mozartsche Menuetten und Gavotten,
spanische Cachuchas, Wiener und
Pariser Walzer. Sie tanzt sie nicht,
sie szeniert und agiert sie in ihrer
Weise. Dazu ist sie jung und schön,
statuarisch, draperiegerecht. Und
weder exzentrisch noch spekulativ in
der gewissen Richtung. Es ist immer ein feiner Anblick: ]ugend und Schönheit in Bewegung,
nach irgend einem ästhetischen Plan. Auch der Reigen der hellenischen Schäferinnen, die
ihr klimatisches Wohlgefühl mit Grazie austoben wollten - Instinkt des Mückentanzes
in der Abendsonne - war etwas derartiges. Tanzmeisterhafte Ansprüche sind allerdings
nicht zu stellen. Ist ein einstudierter Kinderreigen im Maiengrün nicht ebenso schön
wie eine Tanzevolution im Sofiitten- und Rampenlicht? Fräulein Sacchetto, die auf An-
regung der „Wiener Werkstätte" in der Galerie Miethke tanzte (zu wohltätigen: Zweck),
hat den Vorurteillosen, die unter Tanz nicht notwendig Ballett verstehen, angenehme
Stunden bereitet. Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach in einigen Jahren eine geschätzte
Mimikerin sein. Vielleicht trägt sie dazu bei, etwas von jenem edlen Tanz zu verwirklichen,
den ein Leonard in weißem Biskuit-Porzellan von Sevres fixiert hat. Zur Zeit der Fanny
Elßler war der Sinn dafür im Publikum lebendiger als heute.
Aus den Villacher Fachkursen 1905. Ornament, Holzschnitt
von M. v. Jungwirth (Kurs Professor v. Kenner)
INE PRACHTKASSETTE. Die Pilsener Skodawerke haben dem Kaiser ein
künstlerisches Andenken an seinen Besuch im September 1905 überreichen lassen.
Eine silberne Prachtkassette (etwa xo Kilogramm schwer, 53 Zentimeter lang, 38 Zentimeter
breit, 28'5 Zentimeter hoch), in der 52 photographische Ansichten gebettet sind. Sie ist
eine ganz hervorragende Leistung des modernen Wiener Kunstgewerbes, und zwar der
„Wiener Werkstätte" (Entwurf von Professor O. E. Czeschka). Der solid durchlaufende
silberne Körper des viereckigen Kästchens ist an den Seiten mit zehn aufgenieteten
getriebenen Reliefplatten von schwer vergoldetem Silber bedeckt und ruht auf 14 runden
Säulen, die, am Kästchen herablaufend, in Elfenbeinfüßen enden. Das getriebene Ornament
ist frei erfunden, von modem-archaischem Charakter, insofern uns das zurückgehen auf die
Urelemente ja archaisch vorzukommen pliegt. Die 14 Säulen haben 7 verschiedene Muster,
die Platten sind jede anders. Auf der vorderen Mittelplatte sieht man das von zwei Greifen
gehaltene Habsburgerwappen. Beiderseits davon stellen zwei Reliefs die Panzerschiffe
„Zenta" und „Babenberg" vor, die von je drei mächtigen Tritonen durch die Fluten bewegt
werden. (Diese SchilTe haben ihre Bestückung von den Skodawerken erhalten.) Unter den
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