Steinmetz und kleine Bildhauer vor den Fried-
hofstoren zum Händler, der sich ein paar Ar-
beiter hält, gerade gut genug, die Namen in
die Steine zu hauen und ein paar Granitblöcke
durch Einschneiden von unregelmäßigen Rillen
herzurichten. Unter Mitverschulden des Granits,
dessen Härte eine künstlerische Behandlung
äußerst schwierig macht, verschwinden bis auf
wenige Reste alle Stilelemente aus den Fried-
höfen. Was man sieht, sind kindische Versuche
von künstlerischen Wilden oder Primitiven auf
der ersten Stufe, den Stein zu schmücken. An
Stelle der schön kannelierten abgebrochenen
Säule auf zierlichem Postament tritt ein schwarz-
glänzendes Ofenrohr mit knallgoldener Inschrift,
das auf einem Pseudomauerwerk thront. Anstatt
der drehrunden Säule kann auch ein auf die
mathematische Form reduziertes Kreuz darauf
sitzen oder ein viereckiger Obelisk. Kurz, anstatt dem Stein Form zu geben,
poliert man, das kostet keinerlei Phantasie oder Nachdenken und bringt
mehr ein, versetzt auch den Besteller sofort in die Lage, einen seinen Mitteln
entsprechenden Aufwand zu machen.
Ich kann Ihnen die Abbildung eines Steines zeigen, der unpoliert
150 Mark kostet, poliert aber 550, jede Seite Schliff IOO Mark. Dafür sieht
dann freilich solch ein Friedhof aus, als ob die ganze Gesellschaft gestern
begraben worden wäre. Niemals nimmt solch Monument etwas wie
mildernde Patina an, seine ewig messerscharfen Kanten zerreißen die
weichen Linien der umgebenden Natur, in der es stets ein Fremdkörper
bleibt. Und dafür gibt man 4-800 und mehr Mark aus! Welch ein Schatz
künstlerischer Form wäre mit diesem Gelde zu beschaffen gewesen! Schon
für die 400 Mark hätte man ein Bronzerelief vornehrnster Art erwerben
können."
Unsere heimischen Marmore, namentlich der Laaser, sind nicht minder
wetterbeständig, als der schwedische Granit und dabei künstlerisch leicht zu
bearbeiten, namentlich der Muschelkalk. Nur die italienischen Marmore
vertragen unser Klima nicht. Aber nicht nur die Grabskulptur leidet unter
diesem barbarischen Prunken mit fremdem, angeblich kostbarem Material.
Auch in der Möbelindustrie opfert man seltenen echtfarbigen, ja auch blos
geheizten Hölzern jede künstlerische Bearbeitung, baut einen Kasten ohne
Gesims, ohne Leisten, ohne alle Profile in brutaler Nüchternheit auf und
besetzt ihn in der vollen Breite mit übernatürlich großen, in phantastischen
Formen ausgesägten Messingbändern. Man muß weit zurückgehen in der
Geschichte des Kunsthandwerks, bis man auf verwandte „künstlerische
Wilde" stößt, bis in die Zeit der Völkerwanderung, die auch das „kostbare
A. Nissel, Grabstälte Ralf, Berlin