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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 3)

Kunst zeitigen, entstammen immer nur einer vollkommenen Wandlung der 
gesamten Lebensauffassung. Nun _ diese Wandlungen fanden aber eben 
damals in China statt. Man hat zwar geleugnet, daß in China schon vor dem 
I. nachchristlichen Jahrhunderte stärkere buddhistische Einflüsse sich geltend 
gemacht hätten. Im Jahre 61 nach ChristiGeburt soll Kaiser Ming-ti durch einen 
Traum auf die buddhistische Lehre in Indien hingewiesen worden sein und 
beschlossen haben, sie nach China einzuführen. Im Jahre 67 kamen dann 
die zu diesem Zweck nach Indien entsendeten chinesischen Gesandten mit 
buddhistischen Göttern, Gemälden und Schriften nach China zurück. 
Wenn einen chinesischen Kaiser aber eine solche Vorstellung selbst in 
den Schlaf hinein verfolgt, wird sie im Leben gewiß schon ziemlich greifbar 
gewesen sein. In der Tat sind die ersten buddhistischen Missionäre schon im 
Jahre 2x7 vor Christi Geburt nach China gelangt, und im Jahre x22 vor Christi 
Geburt wurde bereits eine goldene Buddhastatue nach China gesendet, also 
eben zu Lebzeiten des großen Kaisers Wu-ti. 
Der Buddhismus ist ja die erste Religion, die, ganz im Gegensatze zu 
den antiken Anschauungen oder dem Judentume, für ihre Überzeugung 
Propaganda macht, die Missionäre aussendet und alle Menschen teilhaftig 
machen möchte ihres Heiles. 
Bemerkenswert ist, daß der Buddhismus sogar früher nach dem Osten 
als nach dem Westen hin zu wirken versuchte; schon im III. Jahrhunderte vor 
Christi Geburt finden wir buddhistische Missionäre in Syrien und Ägypten. 
Im Westen stand aber eine ganz anders gefestigte Kultur gegenüber als im 
Osten, der sich zur indischen Kultur etwa so wie das Germanentum zur 
griechisch-römischen Kultur verhielt. 
Es wäre sehr fesselnd, über die Wechselbeziehungen indischer, vorder- 
asiatischer und griechischer Kultur zu sprechen; es würde hier jedoch zu weit 
führen. Vielleicht darf ich aber darauf hinweisen, daß der indische Mitra 
(„Mittler", ein indischer Beiname der Sonne) im Parsismus als Mittler zwischen 
Gott und dem Menschen und dann besonders im Römerreiche größte Bedeu- 
tung erlangt. In manchem konnte Indien also auch nach dieser Seite hin wirken. 
Doch ich kehre zur Wirkung nach Osten hin zurück. Der Buddhismus oder 
sagen wir vielmehr die indische Lebensauffassung - denn sie ist im Wesen 
älter als Buddha -lehrt eine ganz neue Stellung des Menschen der gesamten 
Welt gegenüber. Tiefer blickende Beobachter haben schon immer gefühlt, daß 
die buddhistische Lebensauffassung mit ihrer allumfassenden Liebe zur Tier- 
und Pflanzenwelt den Natursinn seiner Bekenner mächtig fördern mußte. 
Aber wir dürfen heute noch mehr sagen: der indische Geist hat die Entwick- 
lung des Ostens nicht nur -- als eines von vielen Momenten -_- gefördert, 
nein der Buddhismus hat sie in der Hauptsache hervorgerufen; der Buddhis- 
mus hat den Osten erweckt, so daß dieser erst zu sich selbst kam. 
Der Buddhismus war es auch vor allem, der dem Osten die antiken 
Kulturelemente, soweit sie sich dort finden, vermittelt hat. Was über Zentral- 
asien dorthin gelangte und was etwa Marc Aurel Stein in seinem Buche
	        
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