JOD
des Steines und Putzes, ab-
wechslungsreich ausdrückt.
Nirgends akademische
Strenge, nirgends störender
Einfluß von Lehrbüchern
oder bindenden Vorbildern.
Jede Säule erhält ihren be-
sonderen materialgerechten
Schmuck, jede Konsole den
strengen einfachen Schnitt,
der dem speziellen Zweck
entspricht. Und die einfache
oder reichere F assadenglie-
derung trägt immer den von
innen nach außen wirken-
den Bedürfnissen ohne Ty-
rannei der Symmetrie Rech-
nung. Der große, einfache,
umrissene, steile Giebel mit
dem hohen„Schopf", derAb-
walmung des Daches, wirkt
in der Nebeneinanderreihung
so lebendig wie stattlich im
Einzelbild. Sehr eigenartig
ist oft dem Bedürfnis Rech_ Wohnhaus am Stadtplatz in Steyr
nung getragen, dem Innenraum auch seitliche Ausblicke auf die Straße zu
gestatten. Man benutzte dazu kleine Vorsprünge in der Straßenffucht, die
durch Abschrägung oft gemildert wurden. Das pedantische Einhalten
geradliniger Baufluchten ist dem alten Hausbau fremd und zahlreiche reiz-
volle Zufälligkeiten verdanken diesem Umstand ihr Entstehen.
Es trägt immer viel zur packenden Wirkung eines Baues bei, wenn wir
seine Gestaltung aus den ganz speziellen Bedingungen der Örtlichkeit
hervorgehen sehen und so den Eindruck des an Ort und Stelle Gewachsenen
empfangen. Dadurch, daß gewaltsame Niveauregulierungen früher selten
waren, daß die Ausführung nicht nach so detaillierten Baurissen erfolgte wie
heute, sondern dem Bilden im großen durch den Einfall an Ort und Stelle
mehr Spielraum gelassen wurde, daß das entwickelte Handwerk dem Aus-
führenden eine gewisse Selbständigkeit einräumte, durch alle diese Umstände
entstand eine Beweglichkeit der Ausdrucksformen, selbst bei allereinfachsten
Ausdrucksmitteln, der wir den malerischen Reiz alter Städtchen und ihre In-
dividualität verdanken. Bis in die Nähe der Großstadt sind diese Grundsätze
noch vor kurzem wirksam gewesen und ein Streifzug durch die nähere und
weitere Umgebung Wiens bietet noch immer, aber leider nicht mehr lange,
reiche Gelegenheit zum Studium.