Spitzen- und Portritausstellung in Wien. Nähspitze, italienisch, um xGoo. U4 d. n. Gr. (Kam-Nr. 69)
„unechte spanische Spitze" verzichtet in der Tat auch auf die Goldfäden im
Innern der I-Iauptformen und fügt sie nur in den Umrissen und als freiliegende
Verbindungsschlingen ein, während sie die Hauptformen aus seideüber-
stickter und entsprechend ausgeschnittener Leinwand bildet. In Wirklich-
keit ist der Unterschied in der Wirkung zwischen den beiden Arten aber
doch ein ganz gewaltiger; das unter der Seide verborgene Gold oder Silber
schimmert immer etwas hindurch und verleiht, besonders bei jeder Bewegung
des Stückes, dem Ganzen einen geheimnisvollen, zauberhaften Glanz. Es ist
eine ganz ähnliche Wirkung, wie bei den sogenannten burgundischen oder
Lasur-Stickereien; hier werden flach und gleichlaufend auf die Leinwand ge-
legte Fäden mit mehr oder weniger dichten bunten Seidenfäden so überstickt,
daß der Grund zum größten Teile verdeckt wird; doch erhalten die Farben
dadurch eben einen schimmernden „Lasurton". Es ist dies eine spätmittel-
alterliche Technik, die aber auch in der Renaissance noch Bedeutung behält."
Die sogenannte spanische Spitze verhält sich nun zu dem Lasurstiche wie die
durchbrochene Arbeit überhaupt zur Stickerei in der Fläche. Ihre Durch-
bildung ist eine Tat des plastischen Geistes der Renaissance im Gegensatze
zum Flächensinne des Mittelalters; aber immer haftet ihr die stärkere Farbig-
keit des Mittelalters an und nur selten siegt in ihr das reine Formemptinden
soweit, wie etwa in dem abgebildeten Stück auf Seite 375, wo die erhabene
Stickerei nur den beschränkten und eben auch in der Renaissance noch be-
liebten Gegensatz Gold und Weiß und der Durchbruch dann goldschimmem-
des Weiß zeigt; zumeist bleibt die „spanische Spitze" ausgesprochen bunt
und schmiegt sich gerne an bunte Stickerei an."
Es ist darum auch begreiflich, daß diese Spitzenart in Spanien besonders
Fuß fassen und dort länger gearbeitet werden konnte als in anderen Ländern;
denn Spanien hat in seinem immer etwas phantastischen Sinne die reine
F ormenfreudigkeit der Renaissance nie so in Erscheinung treten lassen wie
etwa Italien, hat sich in Spanien doch auch die farbige Plastik viel länger
erhalten und eigenartiger entwickelt als anderswo. Aber nur wegen des
"' Vergleiche „Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei", Seite 2045., 228, 22g, 239 und an
anderen Stellen.
"K Ein herrliches Stück bunter spanischer Arbeit besitzt das k. k. Österreichische Museum; vergleiche „Ent-
wicklungsgeschichte der Spitze", Tafel 33 und 34. Der „spanischen" Spitze im gewissen Sinne zu vergleichen
wäre das Stück auf Seite 380. '