OK. IV. NAHRUNGS- UND GENUSSMITTEL ALS ERZEUGNISSE DER INDUSTRIE.
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die kleinen und unvollkommenen Brannt
weinblasen verdrängten, veranlassten näm
lich das Fallen der Branntweinpreise in
solchem Grade, dass bei den im Uebrigen
unvollkommenen Gesetzen in Betreff des
sittlichen und ökonomischen Bestehens der
Nation eine wirkliche Gefahr auflfam.
Mit dieser Gefahr vor Augen suchten
die Regierung und die Repräsentation i. J.
1854 durch kräftige Massregeln das Uebel
bei der Wurzel anzugreifen. Es wurden
zwei Gesetze ansgefertigt, das eine über
die Zubereitung und das andere über dep
Detailverkauf des Branntweins, und mit die
sen beiden Gesetzen, von denen gleichwohl
das erstere erst 1860 seine vollständige
Anwendung erhielt, trat die schwedische
Branntweinfabrikation in ein ganz neues
Stadium ein, und zugleich liess sich eine
wesentliche Einschränkung in dem erwähn
ten Missbrauch der berauschenden Getränke
bewirken.
Die Absicht mit dem neuen Zuberei
tungsgesetze, welches gleichwohl successive
entwickelt worden ist ohne eine Verände
rung des Grundgedankens in demselben,
war die Einschränkung der Zubereitung auf
eine kleinere Anzahl Fabriken, die Stellung
dieser unter öffentliche Aufsicht und die
Erhöhung des Preises der zubereiteten Waare.
Das Gesetz bestimmt u. a., dass in jeder
Brennerei täglich mindestens 200 Kannen
(523 Liter) von der Normalstärke (50
Procent Alcohol bei der Temperatur von
+ 15° C.) zubereitet werden sollen; dass
als Abgabe an den Staat eine Produktions
steuer von 80 Öre für jede Kanne der
Normalstärke, und zwar entweder vorschuss
weise oder mit Verpfändung des zuberei
teten Branntweins nachträglich erlegt wer
den soll; dass bei jeder Brennerei, so lange
dort die Zubereitung dauert, ein von dem
Staate besoldeter Beamter angestellt werden
soll, dem es auferlegt ist, theils den zu
bereiteten Branntwein zu messen und theils
zur Verhütung der Unterschleife die Zu
bereitung sorgfältig zu beaufsichtigen. Diese
sämmtlichen Beamten oder sog. Controleurs
stehen unter den Befehlen der distriktweise
verordneten Ober-Controleurs. Von den
Ober-Controleurs und Controleurs werden an
ein besonderes Bureau, unter dessen Chef
das ganze Controlenpersonal steht, über den
Gang der Zubereitung u. a. m. Rapporte
periodisch eingesendet.
Die Einführung dieses Gesetzes stiess
auf starken Widerstand vopseiten der klei
neren Landbesitzer, weil diese befürchteten,
dass dadurch die Branntweinzubereitung
sich in eine vollständige Fabrikenindustrie
verwandeln und also in grösserem oder ge
ringerem Masse der Landwirthschaft entzo
gen werden würde. Mit Berücksichtigung
dieser Interessen des Landbaues sind ge
wisse Bestimmungen gemacht, welche den
Zweck haben, eine allzu starke Concentri-
rung der Zubereitung zu verhindern. Diese
ist daher in der Regel nicht länger ge
stattet, als in 7 Monaten des Jahres (Ja
nuar—April und October— December) und
darf bei keiner Brennerei höher steigen als
1,200 Kannen am Tage.
Wie gross die jährliche Branntwein
produktion im Lande vor der Anwendung
des angeführten Gesetzes gewesen ist, lässt
sich unmöglich mit irgend einem Grade
von Genauigkeit bestimmen. Die Angaben
darüber schwanken zwischen 30 und 50
Millionen Kannen (78—130 Mill. Liter);
die letztere Ziffer ist inzwischen mit Be
rücksichtigung der grossen Anzahl Brenne
reien wahrscheinlicher als die erstere. Seit
dem Jahre 1860 dagegen sind die Anga
ben zuverlässig, und diese zeigen, dass in
der Periode 1862—1871, da die Anzahl
der Brennereien zwischen 400 und 600
schwankte, die jährliche Branntwein-Produk
tion im Durchschnitt 14,390,000 Kannen
(37,663,000 Liter) betragen hat. I. J.
1871, da die Steuer von 70 auf 80 Öre
für die Kanne erhöht worden war, betrug
die Produktion 15,534,452 - 2 Kannen, wo
für an den Staat eine Steuer von 11,719,494
R:dr erlegt wurde, während die Unkosten für
die Controle und die Einnahme für das Jahr
360,488 R:dr oder 3'03^ der Steuer betrugen.
Die Rohstoffe, welche bei der Spiritus
bereitung verwendet werden, sind vorzugs
weise Kartoffeln und Getreide nebst klei
neren Quantitäten verschiedener anderer
Stoffe, als Runkelrüben, Runkelrübenmelasse,
Ren thierflechten u. a. m. Von den beiden
erstgenannten Stoffen sind in den 10 Jah
ren 1862—1871 jährlich im Durchschnitt
verbraucht worden: 1,701,000 Kubikfuss
(445,200 Hektoliter) Getreide verschiedener
Art und 8,505,000 Kubikfuss (2,226,000
Hekt.) Kartoffeln.
Eine besondere Aufmerksamkeit verdient
die in den letzten Jahren begonnene Verwen-