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JOSEF ENGELHART 50 VON LUDWIG HE-
VESI-WIEN S0
NTER den Künstlern, welche die neue Wiener
Kunst gemacht haben, steht Josef Engelhart in
erster Reihe. Wenn man seinen Namen aus-
spricht, denkt man gleichzeitig an sehr ver-
schiedene Kunstsachen: an wienerische Lebens-
bilder vom gründlichsten „Grund", an Gegen-
den, wo noch der farbige Pfeffer wächst (Paris,
Sevilla, Sizilien), an kitzlich pointierte Akte im
Spiel der Sonne und der Reflexe, an große
Porträte aus dem Volk, aus der Bretter- und
Brettlwelt, aber auch aus höchster Geistessphäre, an ein Landschafts-
motiv, das wie ein malerisches Abenteuer wirkte, und an jenes ergreifende
Bild des Kindersterbens und an Kinder überhaupt, gezeichnete, gemalte und
gebosselte, eine Papakunst, halb schon Familiensport. Und an eherne Grab-
Figuren und granitene Säulenbrunnen, und Büsten in allen Marmoren und
Bronzen, und holzgeschnitzte Kamine mit Figuren und intarsierte Wand-
schirme mit Applikationen. Ein Sucher und Allesversucher in allen StotTen
und Manieren, ein rascher Zugreifer mit ererbtem Arbeitergeschick, Volk
aus dem Volk, Kulturmensch aus der Kultur und - vor allem und nach
allem - Wiener aus Wien. Vom Wirbel bis zur Zehe, in seiner Kunst
und in seinem Charakter der frische Sohn des Wiener Pflasters, fröhlich
und gerade, gutes Herz und kecker Schnabel, und bei alledem weit klüger
als viele Leute, die da glauben, ihn in die Tasche stecken zu können. Selbst-
verständlich war er auch einer der Väter der Sezession. Moll der Politiker
des Unternehmens, Engelhart dessen Draufgänger, der den Mut hatte zum
Wagnis jener ersten Ausstellung in der Gartenbaugesellschaft, auf jede
Gefahr hin, und wäre auch schließlich ein großer Fehlbetrag zu decken
gewesen. Und der Wiener ging nicht unter, wie so oft schon; das Glück war
dem Kühnen hold. Heute, nachdem die Sezession sich gespalten, ist Engel-
hart ein großer Teil des spezifischen Gewichtes, das der „Vereinigung"
noch geblieben. Eine unausgepumpte Natur, die das Publikum als etwas
Blutsverwandtes fühlt und gerne mag, mit einem lokalen Beigeschmack, der
nicht auszurotten ist, und von einer Schaffenskraft voll Schaffenslust, die in
immer neuen Formen um den Anteil der Mitbürger wirbt. Kein Sezessionist
im Sinne des romantischen Spielens mit dem unendlichen F arbenspuk, dessen
Spielball wir nun einmal sind, sobald uns die Augen dafür geöffnet worden,
wohl aber im Sinne des Fehdehandschuhs, den er dem Knebel hinwarf und
den Scheuklappen und dem Maulkorb, kurz dem ganzen spießbürgerlichen
System, wo Bevormundung und Achselträgerei sich das Leben bequem
machten und die Kunst mit der Ammenmilch der Gewohnheit aufgepäppelt
wurde. Ein Realist, aus der Scholle der heimatlichen Vorstadt gestiegen,
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