Klarheit zu schaffen, wo man durch ungenaue oder unrichtige Zuweisungen
Verwirrung angerichtet hat.
Diatreta im Sinne Winkelmanns, also geschliffene Netzgläser, vermutet
man auch in den beiden kleinen Bechern, welche Nero angeblich mit 6000
Sesterzien (gleich 1140 Franken) bezahlte. Bei Plinius heißt es darüber:
„ . . sedquid refert, Neronis principatu repertu vitri arte quae modicos calices
duos, quos appellabant petrotos HS VTVenderetJWDerAuSdruCk „petrotos" ist
sinnlos und offenbar entstellt. Wieseler schlug im Banne der alten Diatreten-
theorie die Lesarten „pertusos" oder „perforatos" vor, Übersetzungen
des Griechischen Ewirmrrig, C. Friedrich machte daraus sogar „peritretos".""'
Ich glaube, daß die Entstellung nicht auf dem Irrtum eines Abschreibers,
sondern dem eines Setzers beruht und daß eine einfache Umstellung der
Buchstaben den Sinn wieder herstellt, nämlich pterotos anstatt petrotos.
Nicht durchbrochene Netzgläser, die zu seiner Zeit noch unbekannt waren,
kaufte der Kaiser, sondern zwei der auch sonst erwähnten Calices alati, der
geflügelten Gläser, leichte, zierliche Becher, deren Henkel frei und luftig wie
Flügel sich entfalteten. Damit fällt die I-Iauptstütze der Ansicht, daß durch-
brochene Netzgläser schon zu Neros Zeit hergestellt wurden. Eben damit
hatte man die Stelle bei Martial in Verbindung gebracht, in welcher die
Diatreta zum ersten Mal genannt werden und Neros durchbrochene Becher
für Diatreta erklärt. Die Diatreta Martials waren jedenfalls keine Netzgläser,
sondern mit dem Schleifrade bearbeitete Stücke, sei es nun Murrinen oder,
was wahrscheinlicher ist, Überfanggläser. Wir haben damit in dem Aus-
druck „Vasa diatreta" einen alle Arten geschliffene Gläser zusammen-
fassenden Ausdruck gewonnen. Eine Unterabteilung dieser großen Gruppe
bilden die Mosaikgläser, die Murrinen mit ihren Abarten, sowie jene kleine
Gruppe der von Winkelmann ausschließlich mit diesem Namen belegten
Glanzleistungen der rheinischen Glasindustrie in spätrömischer Zeit, die wir
bis auf weiteres nun „Geschliffene Netzgläser" nennen wollen. Vielleicht findet
sich auch für sie in der antiken Literatur noch einmal eine eigene Bezeichnung.
Nach Vollendung dieses Aufsatzes erhielt ich von Professor Luigi
Conton in Venedig dessen Bericht über einen Fund römischen Gläser, der im
Agro Adriese auf der Terra Ferma von Venedig im Winter 1904 auf 1905
gemacht worden istfi" Er enthielt drei inschriftlich als Arbeiten des berühmten
Glasmachers Ennion von Sidon bezeichnete Henkelbecher, die in einer Hohl-
form geblasen sind und zu jenen Gläsern gehören, welche die Veranlassung zu
der Legende vom hämmerbaren Glase des Tiberius wurden. Außerdem aber
zwei Paar Schalen aus buntgeflecktem Glase, welche mit einem Ausdrucke
der modernen venezianischen Glastechnik als „Murrhini" bezeichnet werden.
Conton bemerkt, daß sie nicht mit den Murrinen des Plinius identisch seien, die
ja aus einem uns unbekannten orientalischen Edelsteine bestanden haben.
"' Plinius, 36, x95. - x" Bonner Jahrbuch, Bd. 74, 5- 154 5- _ w" I-"igi Gemen- l Piü insigni monm
menti di Ennione, recentemente scoperti nel Agro Adriese. Estratto da]? Ateneo Veneto. IXIUO XXIX, vol. II,
fasc. x (Luglio-Agosto 1906). Venezia, 1906.