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Ich war nicht
wenig überrascht
daraus zu erfahren,
daß auch die mo-
derne Glasindustrie
den Ausdruck Mur-
rinen kenne und
wandte mich des-
halb um nähere
Aufklärungen an
Conton, der mir vor
einigen Tagen fol-
gendes darübermit-
teilte: „Die heuti-
genvenezianischen
Glaskünstler be-
zeichnen als Mur-
rinen die Gläser mit
mehrfarbigen
Flecken, die nicht
in der eigentlichen
Mosaiktechnik
ausgeführt sind,
sondern folgender-
maßen: zuerst wer-
den nach Belieben
Stäbchen von ver-
schiedener Form
undFarbe angeord-
net, diese in den
Venezianischzr Glasluster (Schloßhof)
"Ofen gebracht, so daß daraus eine einzige Masse zusammenschmilzt, der man
sofort in einem Holzmodel eine rohe Form gibt, gewöhnlich die einer Schale.
Dann wird das Stück auf das sorgfältigste mit dem Rade auf der Drehbank
bearbeitet. Um eine einzige Schale fertig zu machen, braucht es nicht weniger
als einen Monat! Die meisten brechen, ehe sie fertig werden. Ein alter Glas-
künstler sagte mir, es sei eine Seltenheit, wenn unter zwölf Stücken zwei
gelängen.
Deshalb haben die Murrinen einen sehr hohen Preis. Sie fragen,
weshalb die Modernen sie Murrinen nennen? Weil vor zwanzig oder fünf-
undzwanzig Jahren hier jemand geglaubt hat, daß die antiken Murrinen auf
diese Weise hergestellt worden seien. Was die Milleiiori betrifft, so werden
diese, obwohl sie den Murrinen sehr verwandt sind, doch nicht so bezeichnet;
die modernen Glaskünstler stellten nämlich die Milleliori schon lange her,
ehe sie die oben beschriebene Art kennen lernten."
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