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mannigfaltig geformten und immer nur für irgend ein gewisses Vorkommniss in der Gesell-
schaft bestimmten Trinkgescbirre. So musste ein fauler Trinker den „Molenbecker" (Müh-
lenbecber) leeren. An dem Fnsse eines Bechers befindet sich eine kleine Windmühle mit
beweglichen Flügeln, die durch Blasen in ein Röhrchen in's Drehen gersthen. Der zum
„Molenbeckeß Verurtbeilte blies bevor er zu trinken begann in jenes Rohr und musste,
während die Flügel noch in Drehung waren, den ganzen Inhalt geleert haben. War ihm
dies nicht gelungen, so musste er dies Experiment so oft wiederholen, als ein Zeiger, der mit
den Flügeln in Verbindung steht, Nummern anzeigt. Jung verheirsthete Frauen pflegte
man im Fa 'lienkreise mit dem „Hnnsje in den kelder" (Hänschen im Keller) zu hetoastiren,
einem Trinkbecher, an dessen Boden sich eine an den Seiten mit Oelfnnngsn versehene,
nach Oben aber mit einem leichten Deckel geschlossene Ospsel befindet. In dieser selbst
ist ein Kinderligiirchen enthalten, das an seinen Füssen ein Korkstück oder eine hohle
Metallkugel trägt. Wird der Becher gefüllt, so hebt die Flüssigkeit, die auch in die Cupsel
eindringt. die Figur in die Höhe, der Deckel ötfnet sich - und I-Iansje präsentirt sich an
der Oberfläche als Vorbote des zu erwartenden Familienglückes. Noch ähnliche mehr oder
weniger witzige Spielereien waren ausgestellt, und ausser ihnen gute Arbeiten gewöhnlicher
Form, meist mit moralisirenden Sinnsprüchen verziert, um vor Uebermnss zu warnen u. dgl.
Mit der Erwähnung einiger Uhren und reich ornamentirter mathematischer Instrumente
verlassen wir das Gebiet der Metallotechnik und wenden uns zum Schlnsse noch zu den
Möbeln und Fsyencen.
Von ersteren hatte man sich natürlich begnügen müssen, nur kleine und wenig
Baum einnehmende Stücke auszustellen. Lehrreich und der guten Vorbilder wegen wichtig
wäre es gewesen, hätte mnn holländische Möbel in grösserer Menge vorführen können,
denn in diesem Lande herrschte seit jeher Sinn für gefällige, bequeme Einrichtung der
Wohnräume.
Die ausgestellten Möbel gehörten beinahe durchweg dem 17. Jahrhundert an, dem
Style der schrsnbeufdrmig gewundenen Tisch- und Sesselfisse. Ein Kasten mit vielen
Läden, ein s. g. „Cabineß, zeichnete sich durch hübsche Bemalungen in der Weise der
Schule des Rubens aus. Doch gehört diese Art der Ausschmiickung schon einem sin-
kenden Geschmacks an, denn der volle Realismus in Zeichnung und Farbe und tiefe Per-
spectiven vertragen sich schlecht mit der Bestimmung und. der Idee eines Möbels.
Die holländische Thonbildnerei war durch gute Beispiele der älteren Zeit vertreten,
die Delßer Fnyencemnnufactur in schöner Vollständigkeit. Das Materials hierzu hatte diu
Sammlung des für die Geschichte der Ceramik so verdienstvollen und kenntnissreichen
Forschers A. Demmin geliefert.
Die Jahres-Ausstellung des Kunstindustris-Vereins in Graz.
(Auszug aus der Grnzer „Tages-Post".)
J. W. Der Kunstindustrie-Verein hat in seinen ersten drei Ausstellungen den
grössten Theil der in Steiermark, besonders in Graz existireuden guten Kunstindustriepro-
ducte älterer Zeit dem Publicnm vorgeiiihrt. spärlich träufelt jetzt diese Quelle und nur
den ganz besonderen Bemühungen der Ausschüsse gelingt es noch dann und wann. irgend
einen alten Pocal, ein altes Emailgeriith aus einem verborgenen Winkel hervorznlocken,
oder einem ängstlichen Besitzer für die Ausstellung zu entführen.
Naturgemäß werden die künftigen Ausstellungen sich in dem Masse mehr mit der
modernen Kunstindustrie zu befassen haben, ais die Quantität der alten Gegenstände sich
erschöpft. Aber gerade dieser Umstand ist fiir den denkenden Besucher sehr interessant
und lehrreich. Er sieht die Leistungen der modernen Arbeit vor sich und durch die ein-
gestreuten alten Werke behält er die Fühluug mit der Kunst und Industrie vergangener
Jahrhunderte; er wird aufgefordert zum Vergleiche, zur Beurtheilung, ob ein Vor- oder
Rückschritt stattgefunden, und in welcher Art, ob in technischer oder künstlerischer Be-
ziehung dieser Vor- oder Rückschritt geschehen.
Die heurige Ausstellung hat ferner einen besonderen Reiz darin, dass das Wiener
Museum eine Reihe von Gegenständen einsendete. die als mustergiltige Leistungen der
verschiedensten Nationen auf der Pariser Weltausstellung angekauft wurden. Endlich sind
von localem Interesse jene Gegenstände, die vun steierischen Producenteu zum Zwecke der
Preisbewerbung eingessndet wurden.
Der Verein hat nämlich beschlossen, um bei den Knnstindusttriellen des Landes ein
erhöhtes Streben nach Form, Schönheit und Geschmack der Erzeugnisse hervorzurufen,