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Full text: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 11)

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Dem eifriger Suchenden enthüllen sich unter den zunächst übersehenen Skizzen und 
Entwürfen manche Stücke voll Griff und Gewalt. Ein Bismarck-Kopf, der in anderthalb 
Stunden nach dem Leben modelliert wurde, hat viel mehr Persönlichkeitskraft und Essenz 
als der Normal-Generalskopf des Denkmals. 
Die Studien zu den Stiergruppen für das Budapester Rathaus verraten trotz des 
kleinen Formats Faust und Wucht dieser tierbändigenden Bildnerkraft. Eine Kain und 
Abel- und eine Adam und Eva-Gruppe sind in ihrer Anschauung und Charakteristik, der 
Kain vor allem mit seinem vom Schrecken der Welt aufgescheuchten Antlitz, ganz 
unkonventionell und besonders empfangen. 
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Schließlich sei noch von einigen Kleinkunstwerken gesprochen. Neue schwedische 
Bronzen, Gefäße und Vasen sieht man bei Keller und Reiner. Nach einem neuen von dem 
Bildhauer Elmquist entdeckten Gußverfahren sind sie hergestellt. Ihre Reize bestehen in 
der subtilen, beim Gußprozeß organisch bewirkten Tönung. 
Es vollzieht sich hier auf der Metalloberfiäche ein ähnlicher Vorgang, wie in der 
Keramik bei der Art du Feu-Poterie. Wie dort die irdene Haut, so wird hier die Bronze- 
epidermis lebendig, ein natürlicher „Teint" entsteht auf ihr. Viel koloristische Finessen 
der Tönung finden sich dabei. Langhalsige Vasen bringen in ihren Übergangsschattierungen 
Sinfonien in Grün oder in einem tiefen Pfaublau zum Ausdruck und die porige, nervige 
Struktur der Wandung läßt diese Abtönungen noch nuancierter wirken. Verblichenes 
Goldgelb verklingt in einem fahlen Herbstrot. 1m schwärzlichen Eisenton blitzt es wie 
von Silberglimmer auf. 
Zur Farbe kommt ein diskreter, weich aus der Fläche herauswachsender Reliefzierat. 
Blütengezweig, Blattwerk rankt sich, Käfer, Libellen, Heuschrecken sind impressionistisch 
festgehalten; aus dem Netz- und Adergewebe der Blätter und der Insektenflügel sind dabei 
fein ornamentale Reize geworden. 
Nach dem natürlichen Modell sind diese Motive abgegossen, also wirklich rein 
übernommene Kunstforrnen der Natur, denen eine künstlerische Hand feinfühlig den 
richtigen Platz gefunden. 
Eine liebenswürdige Fertigkeit der Vergangenheit wird jetzt wieder sehr begünstigt, 
die Silhouettenkunst. Die Schattenrisse der Goethe-Zeit, Frau von Stein mit der Büste, 
Goethe selbst mit Fritz von Stein erscheinen nachgebildet und in gelbem Birkenholzrahmen 
gefaßt in unseren Kunstläden. Die Bücher des genialen Konewka, der das Elfengewimmel 
des Sommernachtstraums in luftiger Schwarzkunst heiter beschwor, tauchen wieder auf. 
Andere Unbekannte werden ans Licht gezogen, wie der schlesiche Sandmann Eckert, den 
die Kunsthandlung von Werkmeister neu herausgab. Das war ein Riesengebirgswanderer, 
der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts umherzog; denen, die ihm Quartier boten, 
schnitt er zum Dank Bildchen aus. 
Sehr anmutig sind diese Genreszenen. Sie geben eine Gerhart Hauptmann-Welt en 
miniatur, die l-Iandwerksburschen der Pippa, den Fuhrmann Henschel mit der Botenfuhre 
über die Berge, Rose Berndt auf dem Felde und manch andere Verwandte kann man, 
wenn man will, hier entdecken und ansprechen. Lustig sind die Tiervignetten, Kühe 
mit ohrspitzenden Kaninchen am Boden, der Eber, der am Strick seinem Beruf entgegen- 
geführt wird. Mit Geschmack sind die für die Ausschneidetechnik besonders wirkungsvollen 
Durehbruchsmotive benutzt, zum Beispiel der Leichenwagen, der mit seinen Speichen 
ein schwarzes Filigranmuster auf den weißen Grund zeichnet. 
Eine moderne Spezialistin für solche Scheren-Artistik ist Johanna Beckmann. Sie 
begleitet Märchenreime von Zwergen und Wichtelmännchen und allerlei Tierfabelhumore
	        
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