Seite der Schrift in den Vordergrund gestellt wird. Die Nachbildung vorhandener Alpha-
' bete, und mögen sie auch so vollkommen sein, wie viele der von Day vorgeführten, wird
leicht zur Unselbständigkeit, zur inhaltslosen Schablone führen, die auf dem Gebiet der
Schrift wie anderwärts jeden Fortschritt aufhält. Davor mögen alle Unerfahrenen, welche
das handliche Büchlein benützen, das nun in verbesserter und nicht unbeträchtlich ver-
mehrter Auflage vorliegt, gewarnt werden; sie mögen die anregende Sammlung nur ja nicht
als eine'Quelle betrachten, die sie unvermittelt in das eigene Arbeitsgebiet leiten können.
Wie jedes einzelne Alphabet aus dem Zusammenwirken der Tradition, der Materialbe-
handlung und Technik mit der persönlichen Veranlagung entstand, so kann naturgemäß
auch nur derjenige aus diesen Alphabeten ein gutes Schriftbild konstruieren, der unter dem
Einiiuß dieser Faktoren stand, also der schaffende Künstler selbst. Der eigentliche Wert
liegt in Anregungen, die aus der speziellen Art erwachsen, in welcher früher und heute
von tüchtigen- Künstlern solche Fragen gelöst wurden. Unerläßlich ist die Ergänzung
durch Vorbilder für die Verwendung der Buchstaben zu ganzen Schriitcharakteren. Ein
anderes Bändchen desselben Autors gibt dazu die Handhabe. Hartwig Fischel
DIE ARCHITEKTUR VON GRIECHENLAND UND ROM. Von W. J.
Anderson und R. Phene Spiers. (Leipzig bei K. W. Hiersemann.) Das vorliegende
Werk nennt sich eine Skizze der historischen Entwicklung und stellt eine Bearbeitung und
Ergänzung von Vorträgen dar, die an der Kunstschule von Glasgow durch William J.
Anderson bis zu seinem Tode gehalten wurden. R. Phene Spiers hat dabei die letzten
Kapitel über griechische und alle über etruskische und römische Architektur selbständig
behandelt. Eine beträchtliche Anzahl von Illustrationen, denen vorwiegend gute photo-
graphische Aufnahmen zu Grunde liegen, unterstützt den Wert der Arbeit, die vielfach auf
die wertvollen und gründlichen Studien zurückgreift, welche die Ecole des Beaux Arts in
Paris seit Generationen gepliegt hat. Damit ist auch schon gekennzeichnet, daß das Werk
nicht fir Archäologen geschrieben ist und nicht den strengen Standpunkt exakter Forschung
allein gelten läßt. In lebendiger Form vermittelt es die Resultate der wissenschaftlichen
Untersuchungen fürjene, die Belehrung und Anregung suchen, denen mit einem zusammen-
fassenden Bild mit herausgehobenen typischen Fällen mehr gedient ist, als mit ermüdenden
langatmigen Auseinandersetzungen. In unserer Zeit der Abrechnung mit der Vergangenheit
und des erwartungsfreudigen Ausblickes in die Zukunft bedarf der angehende Künstler wie
der werktätige Kunstfreund einer Belehrung, die ihn rasch und dabei doch verläßlich von
jenen Resultaten unterrichtet, welche die Wissenschaft aus dem Studium der alten Epoche
ableitet. Gerade die Kunst der Griechen und Römer ist von den Archäologen und Philo-
logen förmlich mit Beschlag belegt worden. Und doch führt der Weg zum vollen Ver-
ständnis alter Kunst nur wieder über die Kunst. Er muß für jede Generation neu gebahnt,
in anderer Form vermittelt werden. Eine solche spezielle Mission scheint uns das vor-
liegende Buch zu besitzen und in guter Art zu erfüllen. Es ist für Kunstjünger geschrieben
und entbehrt nicht jener Begeisterung und Wärme, welche mitreißt und der Beredsamkeit
Schwung und Farbe verleiht. Solche Eigenschaften sind wertvoller für belehrende Zwecke
wie peinliche Korrektheit, die langweilt. Allerdings ist hier auch der Gegenstand von so
besonders günstiger Art, daß gründlichste Forschungen ebenso zahlreich vorliegen, wie
glänzende Dokumente der Kunst, die nur in guten Bildern gezeigt zu werden brauchen.
Beide Hilfsmittel sind hier in passender Form gehandhabt worden. Hartwig Fischel
ON N ORDISCHER VOLKSKUNST. Die germanischen Volksstämme, welche
den Norden Europas und insbesondere den Rand der Ostsee und Nordsee besiedeln,
zeigen zumeist eine sehr charakteristische volkstümliche Kunstbetätigung. Je mehr ihre
Art bis in die neueste Zeit ein sicheres Festhalten an alten Überlieferungen zeigt, desto
wertvoller wird auch in unseren Tagen das Studium dieser Tätigkeit sein, das sich bis in
sehr frühe Zeiten zurückverfolgen läßt. Einige reichsdeutsche Zeitschriften haben das
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