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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 1)

artistischer und raffinierter. Seine Zeichnungen haben in den farbigen Erhöhungen, dem 
Creponlila, dem seidigen Gelb etwas Parfümiertes. Sie sind in Absynthstimmung empfangen 
und zittern vor nervöser Reizbarkeit. Phantastik ist auch dabei, seltsame tierhahe Zwischen- 
geschöpfe strichelt Pascin manchmal und diese Kreuzungen erwecken den Eindruck 
moderner Antonius-Versuchungen. Aus der Beardsley-Welt stammt Pascin, doch seine 
Technik und Handschrift ist ganz persönlich. Er führt in dieser Übersicht zu den dekora- 
tiven und ornamentalen Künstlern, zu den Schmuck- und Geschmackstexnperamenten über. 
Sie treten in mehrfachen Spielarten auf. 
Franz Christoph kommt mit der Zeichnung einer barocken Serenissima-Figurine. Die 
Frauengestalt wird dabei ganz zum Kostümornament, auf ausgezackte Konturenmusterung 
der Reifrockfläche stilisiert. Es ist aber mehr Arbeit als Einfall und wirkt etwas pedantisch. 
Espritvoll sind die Blätter Mathilde Tardifs, die Pascin vergleichbar, erotische 
Situation in eine visionäre Optik taucht, in eine schielen-verhängte, chiffonflorige Be- 
leuchtung. Auch bei ihr ist das Artilicielle der Zweck, und die Situation im Zwielicht der 
Straße oder eines schwülen Zimmers gibt nur die Gelegenheit, mit den farbigen Sil- 
houetten der Figuren ein erregendes Spiel zu treiben. 
Geschmack und Amateurfreude an witzigen Finessen zeigen die Lithographien 
Leonards. Sie sind westöstlich in der Mischung ihrer Elemente. Sie stellen ein Atelier- 
lnterieur, eine Putzmacherinnen-Werkstätte mit den farbigen Mitteln, mit der Flächen- 
zeichnung japanischer Holzschnitte dar, mit jenen blaugrauen, fahlgrünen, sandkörnigen 
Tönen und sie erreichen ihre Wirkung virtuos. Besonders witzig und gelungen erscheint 
diese Technik bei einem Motiv, das an sich gar nicht dekorativ ist, einem banalen prole- 
tarischen Kinderfriihstückstisch mit einer blaugewürfelten Wachstuchdecke und Blech- 
töpfen. Und dieses hoffnungslose Ensemble wird doch in eine tonige Harmonie ein- 
gestimmt. 
Das Kuriose sucht Wassily Kandinsky. Er belustigt sich an technischen Raritäten. 
Seine Spezialität sind illuminierte Bilder auf dunklem Grunde. Sie gleichen den Lampen- 
schirmen, an denen Ornamente ausgeschnitten und mit farbigen Seidenpapieren hinterklebt 
sind. Diese Bilder haben Transparenz und koloristische Lichtreize, aber sie sind etwas zu 
zahlreich vertreten; soviel künstlerische Tragkraft haben diese Miniaturbiihnenscherze 
denn doch nicht. Und einiges andere zum Beispiel der Winter, eine Frauenfigur mit 
breitflachem Hermelinmuff vor dem schwarzen Reifrock ist nur eine Plakatflächenkunst, 
wie sie heut viele erkannt haben, und imMotiv nicht einmal von persönlicherEriindungsnote. 
Stets aber interessiert und spannt uns Orliks dekorative Handschrift. Eine Radierung 
„Das Gewitter kommt" ist sehr geistreich in einer Technik von prasselnden Strichen an- 
gelegt; hingefegt ist sie; der Unruhrhythmus der Menschenbewegung bei daherfahrenden 
Windstößen und sausenden Regenschauem erfüllt hier die ganze Szenerie. Es wirkt, als 
ob der Gutshof mit Giebeln und Wänden und der Statfage der Mäher und Feldarbeiter ins 
Rutschen gekommen wäre. 
Dann eine ganz andere Erscheinung: der letzte Akt „Michael Krarner" in einer 
Radierung verdichtet. Es ist ein schon bekanntes Werk, aber es spricht immer wieder 
eigen und nachhaltig. Einfach und still ist es mit der Gardine als Hintergrund, hinter der 
in seinem Sarge der Totgehetzte ruht, „einer Mutter Sohn", und an dem Gardinenspalt 
die Figur der Trauernden mit dem Kranz, links vorn das breite Atelierfenster, und an ihm 
gelehnt, den Blick in ein Nichts, der alte Kramer, mühselig, in sich hinein geduckt. Tonlose 
stumme Traurigkeit und Hilflosigkeit, endlose Lebensebbe spricht dieses Blatt aus. 
Und als ein Menschencharakteristiker mit ornamentalen Mitteln zeigt sich Orlik in 
seinem Holzschnitt-Bildnis Ferdinand I-Iodlers, des Schweizer Malers. Wie er hier die 
Wesenszüge auf die einfachste Formel bringt, das massig-ballige Schweizergesicht zwischen 
dem Haarbusch und dem Waldmenschbart, das ist von leibhaftigster Gewalt. 
Ins hohe Reich der Formen zu einem Edelreigen führen Ludwig von Hofmanns 
Tänze, eine Serie von zwölf Lithographien, die im Inselverlag erschien. Schweben auf,
	        
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