artistischer und raffinierter. Seine Zeichnungen haben in den farbigen Erhöhungen, dem
Creponlila, dem seidigen Gelb etwas Parfümiertes. Sie sind in Absynthstimmung empfangen
und zittern vor nervöser Reizbarkeit. Phantastik ist auch dabei, seltsame tierhahe Zwischen-
geschöpfe strichelt Pascin manchmal und diese Kreuzungen erwecken den Eindruck
moderner Antonius-Versuchungen. Aus der Beardsley-Welt stammt Pascin, doch seine
Technik und Handschrift ist ganz persönlich. Er führt in dieser Übersicht zu den dekora-
tiven und ornamentalen Künstlern, zu den Schmuck- und Geschmackstexnperamenten über.
Sie treten in mehrfachen Spielarten auf.
Franz Christoph kommt mit der Zeichnung einer barocken Serenissima-Figurine. Die
Frauengestalt wird dabei ganz zum Kostümornament, auf ausgezackte Konturenmusterung
der Reifrockfläche stilisiert. Es ist aber mehr Arbeit als Einfall und wirkt etwas pedantisch.
Espritvoll sind die Blätter Mathilde Tardifs, die Pascin vergleichbar, erotische
Situation in eine visionäre Optik taucht, in eine schielen-verhängte, chiffonflorige Be-
leuchtung. Auch bei ihr ist das Artilicielle der Zweck, und die Situation im Zwielicht der
Straße oder eines schwülen Zimmers gibt nur die Gelegenheit, mit den farbigen Sil-
houetten der Figuren ein erregendes Spiel zu treiben.
Geschmack und Amateurfreude an witzigen Finessen zeigen die Lithographien
Leonards. Sie sind westöstlich in der Mischung ihrer Elemente. Sie stellen ein Atelier-
lnterieur, eine Putzmacherinnen-Werkstätte mit den farbigen Mitteln, mit der Flächen-
zeichnung japanischer Holzschnitte dar, mit jenen blaugrauen, fahlgrünen, sandkörnigen
Tönen und sie erreichen ihre Wirkung virtuos. Besonders witzig und gelungen erscheint
diese Technik bei einem Motiv, das an sich gar nicht dekorativ ist, einem banalen prole-
tarischen Kinderfriihstückstisch mit einer blaugewürfelten Wachstuchdecke und Blech-
töpfen. Und dieses hoffnungslose Ensemble wird doch in eine tonige Harmonie ein-
gestimmt.
Das Kuriose sucht Wassily Kandinsky. Er belustigt sich an technischen Raritäten.
Seine Spezialität sind illuminierte Bilder auf dunklem Grunde. Sie gleichen den Lampen-
schirmen, an denen Ornamente ausgeschnitten und mit farbigen Seidenpapieren hinterklebt
sind. Diese Bilder haben Transparenz und koloristische Lichtreize, aber sie sind etwas zu
zahlreich vertreten; soviel künstlerische Tragkraft haben diese Miniaturbiihnenscherze
denn doch nicht. Und einiges andere zum Beispiel der Winter, eine Frauenfigur mit
breitflachem Hermelinmuff vor dem schwarzen Reifrock ist nur eine Plakatflächenkunst,
wie sie heut viele erkannt haben, und imMotiv nicht einmal von persönlicherEriindungsnote.
Stets aber interessiert und spannt uns Orliks dekorative Handschrift. Eine Radierung
„Das Gewitter kommt" ist sehr geistreich in einer Technik von prasselnden Strichen an-
gelegt; hingefegt ist sie; der Unruhrhythmus der Menschenbewegung bei daherfahrenden
Windstößen und sausenden Regenschauem erfüllt hier die ganze Szenerie. Es wirkt, als
ob der Gutshof mit Giebeln und Wänden und der Statfage der Mäher und Feldarbeiter ins
Rutschen gekommen wäre.
Dann eine ganz andere Erscheinung: der letzte Akt „Michael Krarner" in einer
Radierung verdichtet. Es ist ein schon bekanntes Werk, aber es spricht immer wieder
eigen und nachhaltig. Einfach und still ist es mit der Gardine als Hintergrund, hinter der
in seinem Sarge der Totgehetzte ruht, „einer Mutter Sohn", und an dem Gardinenspalt
die Figur der Trauernden mit dem Kranz, links vorn das breite Atelierfenster, und an ihm
gelehnt, den Blick in ein Nichts, der alte Kramer, mühselig, in sich hinein geduckt. Tonlose
stumme Traurigkeit und Hilflosigkeit, endlose Lebensebbe spricht dieses Blatt aus.
Und als ein Menschencharakteristiker mit ornamentalen Mitteln zeigt sich Orlik in
seinem Holzschnitt-Bildnis Ferdinand I-Iodlers, des Schweizer Malers. Wie er hier die
Wesenszüge auf die einfachste Formel bringt, das massig-ballige Schweizergesicht zwischen
dem Haarbusch und dem Waldmenschbart, das ist von leibhaftigster Gewalt.
Ins hohe Reich der Formen zu einem Edelreigen führen Ludwig von Hofmanns
Tänze, eine Serie von zwölf Lithographien, die im Inselverlag erschien. Schweben auf,