LIV
Verhältnis zwischen Kopf und Gliedmaßen war der Alp seines Lebens, diesem Rätsel
brütete er nach, auf vermeintlich ägyptischer Grundlage. Er war Mystiker, Spiritist und vor
allern Mesxnerist. Mesmer war sein Kamerad gewesen schon in der heimatlichen Dorfschule
zu Dillingen in Schwaben; in Wien lebten sie dann in gegenseitiger Intimität. Anderer
Spuk der Zeit kam hinzu, daß er ganz und gar Okkultist, ja Geisterseher wurde. Im harten
Kampf mit Geistern, die ihn am Ergründen der „Proportionen" hindern wollten, aber nicht
konnten, schuf er in Preßburg, im letzten der letzten Häuser am „Zuckermandl", diese
Schar von Köpfen. Zwei derselben nannte er seine Schnabelköpfe, weil das ganze Gesicht
sich vorne in einen langen Schnabel auszog. Einer der beiden ist jetzt im Hagen aus-
gestellt. Und in diesen Schnabelköpfen, die er nie ohne Grauen ansehen konnte, glaubte er
den „Geist der Proportion" konterfeit zu haben, mit dem er so oft Leib an Leib gerungen,
bis er ihn endlich bezwang. Schauerliches Wahnleben eines genialen Realisten; erlebter
E. T. A. Hoffmann. 1
In dem großen Porträtsaale der Ausstellung sind einige gute Stücke von Graf, Kuba
(auch die weibliche Porträtstudie mit den breit ineinander schwimmenden Tönen des
Kleides), Kuehl (Selbstporträt). Hampel, im Kleineren und Kleinsten so geschickt, reicht
für große Maßstäbe nicht aus; so ein Bild scheint aus dreien von verschiedenster Faktur
zusammengewachsen zu sein. Goltz malt die Hofschauspielerin Mell im Kostüm aus
„Quality Street", ohne rechten Schick. Dorsch vergröbert die Kuehl-Schule, auch sein
Dresdener Genosse Sterl befriedigte bei früherer Gelegenheit mehr. Einer der hübschesten
Bezirke der Ausstellung ist der graphische. Es ist da auch mancher neue gelungene Ver-
such zu sehen. Roth hat in Gemeinschaft mit Professor Gersuny ein Radierverfahren
erfunden, das mit Hilfe von Kollodium das Arbeiten vor der Natur erleichtert, indem es
probeweises Abziehen einzelner Teile ohne Kupferpresse ermöglicht. Konopa stellt land-
schaftliche Monotypien aus, farbige Kupferdrucke nach eigener Methode, an der er schon
zwei Jahre arbeitet. Manche dieser Blätter aus der Bretagne sind vorzüglich. Leßers
Aquarelle für das Bilderbuch „Kling Klang Gloria", I-lampels Aquarelle, in Kleister gemalt,
sowie seine schon fast gschnasig guten Aquarellkopien alter Bilder (Bauembrueghel und
andere), die farbigen Donauradierungen von Richard Lux, die eminent feinen, zum Teil
farbigen Radierungen von Simon und Michl (aus Prag, in Paris), dann die meisterhaften
kolorierten Porträtzeichnungen Svabinskvs (Exzellenz Koerber voran) geben eine amüsante
Rundschau in Schwarz, Weiß und Bunt. Auch einige Landschaftsmaler bewähren sich
neu; Barth, Reß, Roth, Baar, Bauriedl. Und aus Krakau senden die beiden Hinterwäldler
Sichulski und Uziernblo bäuerliche und winterliche Kraftmeiereien, in denen doch schon
manches Moment der Klärung an den Tag tritt. Bemerkenswerte Plastik findet sich
zunächst von Josef Heu, der mit dem Architekten Urban einen Gruftbau für den Grafen
Lamberg (bei Steinach-Irdning) zu schaffen hat. Die Pieta-Gruppe erinnert an die Klinger-
sehe, wobei die Maria als Frau aus dem heutigen Volke aufgefaßt ist. Aber es ist Stimmung
in diesen Bildungen und auch in den knienden Engelpaaren, doch sind diese etwas
unstatisch in Nischen untergebracht, welche in den Stützpfeilern selbst ausgestemmt sind.
Von Leopold Forstner kommt eine hübsche Glasmalerei hinzu. Aus der Kleinplastik seien
noch die Animalia von Barwig und Simay hervorgehoben. Von Barwig insbesondere die
reizende Panthergruppe und eine stilisierte Katze in poliertem Ebenholz, was einen
distingierten Augenreiz ergibt. Von Simay selbstverständlich Affen, in Holz, und im besten
Humor.
AUL GAUGUIN. Bei Miethke (Dorotheergasse n) kann man jetzt diese neueste
„gloire" Frankreichs genau kennen lernen. Im Pariser l-lerbstsalon xgoö, wo Gauguin
zwei Säle mit seinem posthumen Ruhm füllte, war er der Clou. Auch für die Kunsthistoriker,
die den Vielverlachten nun amtlich in ihr Register aufnehmen mußten. Gauguin war 1848
in Paris geboren und starb 1903 auf Tahiti, amIAussatz. Seine Großmutter, die bekannte
utopistische Schriftstellerin Flora Tristan, Kollegin Fouriers und Cabets, die selbst eine