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Bezug auf den sittlichen Zustand einer nach vielen Millionen zählenden
Bevölkerungsklasse. Der Ansammlung fast unermeßlicher Reichtümer auf der
einen Seite entsprach Not, krassestes Elend, Verkommenheit in jeder Hinsicht
auf der andern. Da die Anteilnahme an der Tätigkeit der gesetzgebenden
Körperschaften vom Umfang des Grundbesitzes abhängig war, mithin nur die
Gentry im Staatswesen ein
Wort mitzureden hatte, stellte
sich bei dem rasch reich ge-
wordenen, bürgerlichen Krei-
sen entsprossenen Fabriks-
herren- und Kapitalistenstand,
der mit dem ins Ungemessene
anwachsenden Geldbesitz all-
ein keineswegs zufrieden war,
das Bedürfnis nach einer dem
Besitz entsprechenden sozia-
len Stellung ein. Der alteng-
lische Feudaladel war ohnehin
außerordentlich zusammenge-
schmolzen; heute vermögen
nur ganz wenige Familien
ihren Ursprung bis ins XVI.
Jahrhundert zurück zu ver-
folgen. Es wurden also große
Summen im Grundbesitz an-
gelegt. Der selbständige Bauer
verschwand vollständig. An
seine Stelle trat der Landar-
beiter, dessen Stellung keines-
wegs viel besser war als die
desstädüschenI.ohnarbeüers
In Bezirken, wo weniger In-
dustrie war, sank die ländliche
. _ Bevölkerungsziffer enorm; in
Abb. z. Rochester, Alte Fachwerkbaulen den Fabriksdistrikten Stieg Sie
in ebendemselben Maße. (Im
Jahre 18g! zählte man nicht ganz 1'], Millionen Landarbeiter gegen 7'], Mil-
lionen gewerblicher Arbeiter.) Der stetige Zuzug von Arbeitskraft nach den
Industriezentren ermöglichte die Herabdrückung der Löhne. Um diese immer
stärker zurückzuschrauben, wurde, wo es nur immer anging, Frauen- und
Kinderarbeit bevorzugt. Mochten dabei Überanstrengung, Krankheiten und
so weiter auch eine abnorme Sterblichkeit hervorbringen - das kam nicht
in Betracht. Überschuß an Arbeitsangebot war stets vorhanden. Das berüch-
tigte „Sweating" (Schweißaustreiben, das heißt übermäßiges Ausdehnen der
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