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Niederrheinische Bauemtruhe,
XV. Jahrhundert, Kunstgewexbemuseum in Cöln
blendender Feinheit zu heben verstand. So ist, besonders in Westdeutsch-
land, gar manche brave Möbelfüllung bis zu salonfähiger Eleganz über-
schnitten und geglättet worden; die wenig lockenden einfachen Faltwerk-
füllungen wurden durch prächtiges Rankenomament ersetzt, die glatten
Pfosten der Kastenmöbel erhielten erhöhten Reiz durch aufgelegte Fialen
und Baluster, ja den ganzen Rahmenbau der Schränke hat man oft mit
einem zusammenhängenden System gekehlter Prolilleistenl überzogen und
mit diesen vielseitigen Künsten der Verschönerung die überraschendsten
Typen der deutschen Kunsttischlerei erzeugt, allerdings auch zahlreiche
Denkmäler des bescheidenen, aber echten Hausrats vernichtet. .
Diese Überproduktion an Prunkmöbeln von unwahrscheinlich tadelloser
Erhaltung hat schließlich das Mißtrauen und damit eine schärfere Kritik
geweckt. Diejenigen Sammler und Museen, weiche die Möbel nicht nur
nach ihrer dekorativen Wirkung oder als brauchbare Mustervorlagen
schätzten, sondern auch als kulturgeschichtliche Urkunden, und die daher
auf die Ursprünglichkeit größeren Wert legten, haben sich notgedrungen
viel bescheidenere Ziele stecken müssen. Wie bei den Majoliken die Vorliebe
von den glänzenden Werken der urbinatischen und faentinischen Richtung
auf die der gotischen und archaischen Periode zurückging, obwohl die
letzteren schon mit der Bauerntöpferei sich berühren, so ist auch bei den
Möbeln das Verständnis für die Vorzüge und unscheinbaren Reize einfacher
Stücke gestiegen.
Die Hinneigung zum Primitiven ist gewiß nicht allein durch das Ver-
siegen des käuflichen Vorrats echter Prachtstücke der alten Kunsttischlerei
hervorgerufen, sondern sie beruht im Grund auf einer vertieften, historischen
Betrachtungsweise auch der kunstgewerblichen Denkmäler. In der Über-
zeugung, daß diese Geschmacksrichtung noch in der Ausdehnung begriffen
"' Beispiele für diese Zutat sind abgebildet im Katalog der Sammlung Thewalt, Tafel III, Nr. x873, Tafel
VI, Nr. 1878, Tafel XVIII, Nr. 1874.