Richard Jakitsch, Grabmal der Frau Manha Schale
am evangelischen Friedhof in Graz
Nr. 14 vom 1g.]änner r9o3) nach-
gewiesen hat, daß aus frühester Zeit
zwei Darstellungen Christi kursieren.
Die eine ist hellenistisch und zeigt
den Menschensohn als schönen hart-
losen Jüngling mit längerem (in ale-
xandrinischer Auffassung mit kürze-
rem) Haar. Fahrenkrog verlangt die
Darstellung mit kurzem Haar; Paulus
sagt im ersten Korintherbrief: „Es ist
dem Manne eine Unehre, so er lange
Haare zeiget, für das Weib hingegen
eine Ehre", und Fahrenkrog meint,
das wäre gewiß nicht gesagt worden,
wenn es nicht zu Christi äußerer
Erscheinung gepaßt hätte. Die Auf-
fassung. welche uns heute geläulig ist,
der bärtige Christus, stammt, wie
Strzygowski weiter ausführt, aus dem
Orient und kam mit jenerWelle nach
dem Abendland, die seit dem IV. Jahr-
hundert den Hellenismus überflutete.
Christus war also wohl bartlos und
vielleicht auch kurzhaarig, meint
Fahrenkrog; er ist für diese Erkennt-
nis mit der künstlerischen Tat ein-
getreten und er bildet seinen Jesus
bartlos, kurzhaarig, als schönen Jüng-
ling, ähnlich der südhellenistischen
Auffassung, die wir durch Strzy-
gowski kennen. Und nicht nur die
historische Treue ist es, die Fahren-
krog für sich in Anspruch nimmt. Er
meint auch, daß die Kunst das Recht
habe, mit der Tradition zu brechen,
um sich nach ihrer gegenwärtigen
Anschauung einen Christustypus zu
bilden, das heißt, daß ihr auch das
Recht eingeräumt werden müsse, die
historische Treue hintanzusetzen.
Das Recht auf künstlerische Freiheit wird freilich niemand verkümmert
werden dürfen. Heute liegen denn auch moderne Auffassungen Christi in der
Luft. Schon Gebhardt und Uhde haben Neues versucht; aber sie haben das
Antlitz Jesus nicht verändert; Klinger geht in seinem „Christus im Olymp"