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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 8 und 9)

Diese Prägepapiere wurden nachgeahmt durch den um die Mitte des XVII. jahr- 
hunderts aufkommenden Modeldruck, der die goldenen Ranken indessen bloß aufdruckte, 
ohne sie im Relief einzupressen. Daneben verwendete er verschiedene Farben und Muster, 
dem wechselnden Geschmack der Zeit entsprechend. Die Muster der Kattunstoife wurden 
oft ohne weiteres auf das Papier übertragen, ebenso Tapetenmuster. Oft wurden auch 
Holzmodel auf Kleisterpapieren abgehoben. 
Diese wurden durch Aufstreichen von gefärbtem Kleister hergestellt, der dann mit 
Kämmen oder Stiften gitterartig oder streifig gemustert wurde. Einfachere Kleisterpapiere 
wurden durch Abtupfen des Pinsels hergestellt, wobei auch mehrere Farben zur Ver- 
wendung kamen. 
Die weiteste Verbreitung fanden die Marrnor- oder Tunkpapiere. Ihre Herkunft ist 
noch ungewiß. Es steht indessen fest, daß die Türken schon im XVI. Jahrhundert, ja viel- 
leicht schon früher, diese Technik kannten und in hoher Vollendung ausübten. Die herr- 
lichen Muster, welche die k. k. Hofbibliothek in Wien zur Zeit in ihrer Bucheinband- 
ausstellung vorführt, beweisen dies zur Genüge. In Deutschland und in Frankreich fanden 
dann die Tunkpapiere als Buchvorsätze rasch Aufnahme. Die großzügigen Muster in Rot, 
Blau und Gelb bilden die Regel. Erst später, um 1800, wurden einfarbige graue und braune 
Muster in größerer Menge angefertigt; durch das Einspritzen von Tropfen entstanden dann 
die bekannten Muster, die dem Schnitt durch eine fettreiche Wurst nicht unähnlich sehen. 
Alle diese Techniken mit Ausnahme des Prägedrucks hat die Industrie des XIX. Jahr- 
hunderts übernommen. Aber je weiter man sich von der alten Zeit entfernte, je schwächer 
die Tradition wurde, um so geschmackloser und lederner wurden die Muster der Bunt- 
papiere. Als vollends die grellen Anilinfarben in der Buntpapierfabrikation Aufnahme 
fanden, schwand der letzte Rest der alten Harmonie in Form und Farbe. Nur selten Findet 
man in der Auswahl von lndustriepapieren, welche die Ausstellung bietet, ein wirklich 
erfreuliches Muster, eine traurige Tatsache, wenn man bedenkt, daß selbst die ausgestellten 
Papiere aus der Fülle der Marktware sorgfältig ausgewählt sind. Gegen die alten kernigen 
Muster sehen diese neuen Papiere, besonders die mit der Maschine hergestellten ein- 
farbigen Streich- und Kleisterpapiere, lackiert und schal aus. 
Hier setzt nun die Arbeit unserer modernen Künstler ein. Otto Eckmann knüpfte als 
erster wieder an die alte türkische Tradition an, welche aus den Linien und Flecken 
Blumen und Blätter herausschälte und neben lebhaften Farben auch zarte Töne zur An- 
wendung brachte. Was Eckmann vielen Künstlern voraus hatte, war eine scharfe Selbst- 
kritik: Von den vielen Papieren, die er anfertigte, ließ er nur wenige an das Publikum 
gelangen; die anderen behielt er zurück, sie genügten ihm nicht. Neben Eckmann verdient 
der Kopenhagener Buchbinder Anker Kyster an erster Stelle genannt zu werden, der sowohl 
in der Tunkpapiertechnik als auch in der Herstellung von Kleisterpapieren Vortreffliches 
leistete. Er bevorzugt stumpfe, zarte Töne und großzügige Muster, die er immer harmonisch 
zueinander zu stimmen weiß. Andere Künstler, wie der Buchgewerbler Ochmann und der 
Drucker Poeschel in Leipzig, kommen in der Wirkung nahe an Anker Kyster heran, ohne 
indessen seine Originalität zu besitzen. Einen ganz neuen Ton schlagen die Künstler der 
Wiener Werkstätten an: Ein fröhliches Farbenspiel, zwischen den bunten Linien und 
Feldern launige Tiere, die aber immer im Papierstil bleiben und nie auf Naturwahrheit 
Anspruch machen, wie das bei den Versuchen jüngerer Künstler etwa der Fall ist. Von 
dem Buchbinder Karl Beitel und den Malern Kolo Moser und Josef Holfmann sind sehr 
schöne Papiere ausgestellt, die den Clou dieser Abteilung bilden. 
Eine ähnliche Stellung nimmt Lilli Behrens in der Herstellung der Kleisterpapiere 
ein. Ihre zarten Blumen auf leicht getöntem Grund sind vielleicht nur zu sehr naturgetreu, 
aber immer zeigt die Künstlerin einen feinen Farbensinn und ein feines Gefühl für den 
Rhythmus der Fläche. Sie macht es den andern Künstlern schwer, nach ihr noch etwas 
Neues zu erfinden, denn die Mittel der Kleistertechnik sind beschränkt und sie hat nahezu 
alle erschöpft. Der Buchbinder Kersten in Berlin ist durch die originelle Herstellungsweise
	        
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