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Aufschwung befand, der ein Festlegen des Überschusses für dauernden Genuß nicht nur
gestattete, sondern den damaligen - vielleicht nicht so unrichtigen - Anschauungen
gemäß, geradezu forderte. Auch die preußischen Könige übten auf ihre reichen Untertanen
einen mehr oder weniger starken Druck aus, damit sie einen Teil ihres Reichtums in Bau-
lichkeiten anlegten, deren schöne Erscheinung ja auch andere erfreute. Auch mochte in
solchen Fällen schon die Absicht mitsprechen, maßlose und für das Gemeinwohl nutzlose,
wenn nicht schädliche Geldansammlung zu verhüten. Diese Absicht mochte, wie Professor
Pauker andeutet, gerade auch den Klöstern gegenüber vielfach und in oh übertriebenerWeise
zur Anwendung gelangen; der Staat, dessen Allmacht in dieser Zeit ja bereits begann,
mutete den kirchlichen Anstalten wohl auch mehr zu als sie wirklich tragen konnten und
wirkte dadurch und durch die damit verbundene Verweltlichung der höheren geistlichen
Würdenträger und nicht ohne Absicht sogar auf die innere Entwicklung der kirchlichen
Anstalten zersetzend ein. Gerade die Abschnitte, die diese kulturgeschichtlichen Fragen
behandeln, sind bei Pauker außerordentlich fesselnd zu lesen.
Nun kommt aber bei nicht wenigen Klosterbauten und insbesondere beim Stift Kloster-
neuburg hinzu: sie sind tatsächlich als kaiserliche Residenzen geplant worden.
Pauker weist ganz überzeugend und überall auf Grund urkundlichen Materials aufs
genaueste nach, wie Klostemeuburg förmlich gegen den Willen des Stiftes zu einem Pracht-
bau wurde. Zuerst wollte man nur eine verhältnismäßig bescheidene Erneuerung und Ver-
größerung des alten Baues vornehmen - die Pläne Prandauers aus dem Jahre x7o6
sind noch erhalten -, dann ließ der Klosterneuburger Prälat Emest Perger, ein sehr frommer
und fast asketischer Mann, jahrelang die Pläne überhaupt ruhen. Erst 17 30 erhält Donato
Felice von Allio den Auftrag, neue Pläne zu entwerfen; in demselben Jahre veranlaßt aber
bereits Graf Althan, der oberste Chef des Hofbauamtes, nach einem Besuch des Kaisers
eine weit großartigere Ausgestaltung des Baues, der zugleich eine wirkliche Residenz des
Kaisers werden sollte. Bei dieser Verbindung von Kloster und Fürstensitz an das Vorbild
des Escorial zu denken. liegt wohl nahe, besonders unter Karl VI., der ja früher spanischer
König gewesen war.
Wie die Wandlungen vom eigentlichen Klosterbau in den kaiserlichen Klosterpalast
vor sich gingen, wie der Bau dann nach Vollendung kaum eines Viertels 1755 eingestellt
und erst 1836 bis 1842 notdürftig abgeschlossen wurde, ist an der Hand zahlreicher Pläne
und Urkunden recht deutlich gemacht; es wird auch kaum einen anderen Bau geben, bei
dem so viel künstlerisches und wissenschaftliches Material erhalten ist. Es wiedergefunden
und der weiteren wissenschaftlichen Benützung übergeben zu haben, ist aber Verdienst
des gelehrten und dabei für die Sache warmfühlenden Verfassers sowie des früheren und
des gegenwärtigen Prälaten, die ihn bei derArbeit und Herausgabe weitgehend unterstützten.
Wenn bei der ganzen Untersuchung, die uns so viel des allgemeinen Interesses
bietet, dann auch noch der in letzter Zeit so viel umstrittene Meister Allio zu seinem Recht
gelangt, so müssen wir auch dieses Ergebnis schon der wissenschaftlichen Wahrheit wegen
mit Freude begrüßen. Wahrscheinlich war Ilg im Irrtum, wenn er Allio dem älteren
Fischer von Erlach und Hildebrandt als gleichwertig an die Seite stellte; aber jedenfalls
ist Allio nicht nur ein besserer Baumeister - man wollte ihn sogar zu einem schlechteren
machen -, sondern ein wirklich entwerfender Künstler, dessen allmählich entstehende
und wechselnde Entwürfe wir nun verfolgen können. Wie weit ihn andere Meister im all-
gemeinen und im besonderen im Klostemeuburger Falle beeinfiußt haben, wird weitere
Forschung wohl noch klären. Auf jeden Fall haben wir jetzt einen sicheren Ausgangspunkt
gewonnen, und einen Künstler zu verfolgen, der die große Stiege Klosterneuburgs geschaffen
hat, ein Werk, das selbst den renaissancebegeisterten Burckhardt zur Bewunderung
hinriß, lohnt schon der Mühe.
Wir wollen nur hoffen, daß die „Beiträge zur Baugeschichte des Stiftes Klosterneu-
burg", die nun so glücklich begonnen haben, in nicht zu ferner Zeit ihre Fortsetzung erhalten.
Dreger