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acrver sacrum. 
0. Friedrich. 
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irt. 
DER MARIA THERESIEN-SAAL 
IN DER NEUEN HOFBURG. 
Nächst den Kirchen spielen in der Kunstge 
schichte die Paläste, welche den gekrönten 
Häuptern zum Wohnsitz gedient hatten, die 
grösste Rolle, weil jede Zeit in ihnen ihr 
Reichstes und Bestes gab und sie so schön 
gestaltete, als sie eben vermochte. Diese 
„Schlösser, Höfe, Burgen“ sind somit die Proben auf die 
künstlerische Potenz ihrer Entstehungszeit. Was werden 
unsere Nachkommen für Schlüsse auf unsere künstlerische 
Qualität ziehen, wenn sie den neuen Burgbau als Massstab 
derselben benützen werden ? 
Doch nicht vom Bau wollen wir heute reden. Seit er 
vergeben wurde, hat sich ja viel geändert, sehr viel, nur 
eines nicht: die schreckliche österreichische Gepflogenheit, 
in künstlerischen Fragen immer zuerst den Beamten und 
dann erst den Künstler zu Wort gelangen zu lassen. Alle 
Hoffnungen, die Österreichs Künstlerschaft bezüglich der 
Innenausschmückung der neuen Burg etwa noch gehegt 
hat, sind durch die Preisausschreibung für ein Deckenbild im 
Maria Theresien-Saale, welche im Amtsblatte der „Wiener 
Zeitung“ vom 23. Februar 1898 veröffentlicht wurde, ver 
nichtet. Wenn der Geist, dem diese Preisausschreibung ent 
sprungen, bei der Innenausschmückung der Burg der leitende 
ist, dann hat die Kunst von den Summen, die da zur Ver- 
fügung stehen, nichts zu erwarten, dann steuern Wien und 
Österreich einem neuen MONUMENTALEN UN 
GLÜCK zu. Zwei Zimmer Louis XV., zwei Louis XVI., 
eines Empire, u. s.f., so lautet der Regimentsbefehl für die 
Künstler. Und warum ? Die wie eine halbe Entschuldigung 
klingende Antwort heisst: Weil alle diese Stilarten während 
der Regierungszeit unseres Kaisers sich in der Herrschaft 
nacheinander abgelöst haben. Nur verzopfte Gelehrte, 
welche selbst nie einen schöpferischen Gedanken gehabt 
haben, können auf die Idee kommen, bei der Zimmeraus 
schmückung „alle Stilarten, welche die letzten 50 Jahre 
beherscht haben“, in Anwendung zu bringen und nur 
EINEN Stil auszuschliessen: den heutigen; nur Bureau- 
kraten können den vertracten Beschluss fassen, in der 
neuen Burg alle Experimente, Versuche, Anläufe der 
letzten 50 Jahre in monumentaler Weise zu verewigen, 
das endliche Resultat all dieser Bemühungen aber, die 
glücklich gefundene moderne Kunst, auszuschliessen. 
Und noch Eines: Wie fühlt sich der Kunstverstän 
dige theils zum Zorn, theils zum Lachen gereizt, wenn er, 
die Salons unserer Reichen besuchend, dieselben mit einer 
schablonenhaftenEleganz eingerichtet findet, die nicht einen 
runken individuellen Geschmackes aufweist, sondern die 
Räume den Hötelsalons oder den Wartezimmern der Zahn 
ärzte nähert. Und ist es denn ein anderes Princip, nachdem 
jetzt das Haus des Kaisers eingerichtet werden soll? Ist 
keinem der weisen Räthe eine leise Ahnung davon aufge 
stiegen, dass es angemessen wäre, in der von Franz Josef I. 
errichteten Burg den schlichten, allem Prunke abholden, 
soldatischen Sinn dieses Kaisers zum Ausdruck zu bringen? 
Gibt es wirklich jemanden, welcher meint, die Umgebung, 
die sich ein Ludwig II. von Bayern schuf, passe auch für 
unseren Kaiser? 
Und nun endlich die Preisausschreibung für das 
Deckenbild im Maria Theresien-Saale! Man lese sie doch 
in der „Wiener Zeitung“ nach! Maria Theresia soll, um 
geben von den Grossen ihrer Zeit, dargestellt werden. Hat 
man an dem unglücklichen Deckenbilde im Goldsaale des 
Hofmuseums noch nicht genug? Muss bei uns wirklich 
alles zweimal gemacht werden, einmal schlecht, das zweite 
mal noch schlechter? Dort im Museum sieht man, glauben 
wir, deutlich genug, dass sich Deckenbilder überhaupt nicht 
zum decorativen Culminationspunkt eines Raumes eignen, 
dann, dass sich solche Sujets nicht für Deckenbilder eignen. 
Bemale ich eine Decke schon, dann muss ich die Compo- 
sition so halten, dass ich von jedem Punkte des Saales beim 
flüchtigen Aufblick ein Bild erhalte; klebe ich aber, wie 
es hier geschehen ist, einfach ein Tafelbild auf den Plafond, 
dann muss ich den Saal so ausgestalten, dass ich dem Be 
schauer die Möglichkeit biete, an der unter dem oberen 
Bildende gelegenen Saalseite eine horizontale Lage anzu 
nehmen. Ist dies wie hier nicht beabsichtigt, nicht nöthig 
oder nicht thunlich, dann ist auch das auf den Plafond 
geklebte Tafelbild ein Unsinn. Dann weiter: „Die Com- 
position soll dem Stile der Zeit (Maria Theresias) ange 
passt sein.“ Ja, meine verehrten Herren Concurrenzaus- 
schreiber, zu MariaTheresias Zeiten haben in die Disposition 
solcher Aufgaben eben Künstler dreinzureden gehabt und 
denen wäre es überhaupt nie eingefallen, solche kindische 
Dispositionen zu geben wie Sie, meine geehrten Herren 
Kunstbeamten. UND EIN UNTER SOLCHEN 
UMSTÄNDEN ENTSTANDENES WERK SOLL 
DANN DIE ÖSTERREICHISCHE KUNST AUF 
DER WELTAUSSTELLUNG IN PARIS REPRÄ 
SENTIEREN! WIE KOMMT DIE ÖSTERREI 
CHISCHE KÜNSTLERSCHAFT DAZU, SICH SO 
LÄCHERLICH MACHEN ZU LASSEN? Und das 
wird sie auf diese Weise. 
Ein ehemaliger österreichischer Politiker pflegte seine 
Reden in pathetischer Weise mit dem Rufe „armes Öster 
reich“ zu schliessen; wenn irgendwo, so ist dieses Dictum 
hier am Platze. 
V. S. 
Jos. Hoffmann. 
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