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von Langenstein nennt Maria:
„die viel reine Magd, die mit
Keuschheit hat erjagt des
Himmels Einhorn, das man
zuvor der ganzen Welt zür-
nen sah".
In der Provence, der
Heimat des Minnesangs, ist
die Poesie der Troubadours
reich an mystischen Ver-
gleichen. König Thibault von
Navarra nennt sich selbst ein
Einhorn, weil er von Amor
und seiner Herrin sein Herz
nicht zurückerlangen könne,
so wie das Einhorn im Schoß
der Jungfrau vom Jäger ver-
räterisch getötet wurde. Der
Einfluß der französischen
Bestiaeres, darunter jene des
Pierre le Picard auf die fran-
zösische höiische Lyrik war
sehr bedeutend; ihre An-
regung auf die bildende Kunst
ist groß gewesen und in
ganzen Zyklen, so zum Bei-
spiel am Straßburger Münster
Aus dem Mondseer Antiphonarium im Museum zu Linz. Um 1460 nachgewieserL Der deutsche
Mmnesang entwickelte (sich
unter französischem Einfluß und lernte die allegorische Anwendung der
Tierbilder auf die Liebe zum großen Teil aus provengalischen Dichtungen.
Orgeluse im Parzival nennt ihren Geliebten Cidegast ein Einhorn an Treue
und Feiretiz trägt das Tier als Helmschmuck, als Sinnbild der Treue, das
ihm Königin Secundille als Wappen gegeben, das Bild des reinen Tieres, in
dessen Nähe alle giftigen Schlangen sterben, wenn sie es nur riechen. Gleich-
falls in der geistlichen Volkspoesie finden die Syrnbolbeziehungen reichlich
Anwendung. In der sechsten Strophe des Marienlieds „ich han mir usserkoren"
aus einer Stuttgarter Handschrift des XV. Jahrhunderts heißt es von Maria:
„den einhurn und die hinde
hat sie gernachet zam."
Ausführlicher ist dieses Bild in dem geistlich gewendeten jägerlied „Ich sahe
mir den Maien" angewendet.