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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 2)

schlossenen Talgrund. In ihrer Erscheinung ist die Stadt das typische Bei- 
spiel eines englischen Industriezentrums. Der den zahllosen Schloten unauf- 
hörlich entströmende Steinkohlenruß schlägt sich an den Hausrnauern, auf dem 
Straßenpfiaster, überall nieder. Fenster in Wohnräumen zwecks Lüftung zu 
öffnen, ist so gut wie unmöglich. Selbst bei geschlossenen Fenstern sind 
Kleider, Wäsche und so weiter nicht rein zu erhalten". Außerdem aber 
entströmen den zahlreichen Metallbearbeitungs- und anderen Werkstätten 
Dünste, welche die Luft verpesten. Als Verfasser dieser Zeilen zum ersten 
Male, an einem wolkenlosen Sommertag, nach der durch reizende Berg- 
gelände führenden Fahrt von Manchester her Shefiield besuchte, glaubte er 
sich in einen nebligen I-Ierbstmorgen versetzt, so war die Luft von Verun- 
reinigungsprodukten aller Art durchzogen. Was im Dunstkreis der Stadt an 
Gärten vorhanden ist, gewährt einen geradezu jammerbaren Eindruck, zeigt 
doch die ganze Vegetation den Stempel der schwierigsten Existenzbedin- 
gungen. Der größere Teil der Wohnstätten ist deshalb an die Peripherie, in 
hügeliges, einigermaßen rauch- und dunstfreies Gelände verlegt. Weit außer 
der Stadt zeigt der botanische Garten zur Genüge, was in guter Luft hier 
alles zu gedeihen vermag. - Wincobank heißt ein ziemlich hoch gelegenes, 
von der schlechten Luft der Talsohle unberührtes Plateau, an dessen Hängen 
prächtige parkartige Baumbestände von ansehnlicher Größe sich hinziehen. 
Die Stadtverwaltung von Shefiield hat schon vor mehreren Jahren hier eine 
in ihrer Art mustergültige Anlage von Arbeiter -Reihenhäusern erbaut, 
mustergültig hinsichtlich der Licht-, Luft-, Raum- und Mietpreisverhältnisse. 
Selbst die billigsten Einfamilienhäuser, Wochenmietpreis 5 Schilling 
inklusive Abgaben für Wasser und Beleuchtung, enthalten außer ebenerdiger 
f T. CJ-lorsfall sagt in seinem vortrelT liehen Buche „The improvement of the Dwellings and Surroundings 
of the People. The Example of Germany" pag. x67: „Except perhaps Essen, there is no Gennan town which 
has air so heavily laden with soot and other impurities as is the air of Manchester, much of London, Birming- 
ham, Liverpool and all our other large towns. This filthiness of the air makes it impossible in a town like Man- 
chester (Sheflield ebenso !) to maintain a moderate degree of cleanliness ofskin, hair, clothing and dwelling in houses 
where servants are not kept, unless the house-wife gives an inordinate amount of her time und strength tn the 
struggle against dirt." In dieser Atmosphäre leben Tausende von Menschen. Kein Wunder, daß die Sterblichkeits- 
ziffern als Todesursache einen geradezu erschreckenden Prozentsatz von Phtisis und anderen Erkrankungen der 
Atmungsorgane angeben. Auf Seite 186 des zitierten Buches finden sich hierüber Details. Um übrigens das 
Bild zu ergänzen, sei hier noch kurz angeschlossen, was der Verfasser über die englische und die deutsche 
arbeitende Bevölkerung vergleichsweise sagt: „Such persons (schmutzige, körperlich schlecht entwickelte, in 
allem eine gewisse Verkommenheit verratende Erscheinungen) form a much larger proportion of the population 
of English than of German Towns. (Natürlich, weil der auf die Städte konzentrierte Fabrikbetrieb und alle seine 
Folgen in England um hundert jahre älter ist als in Deutschland). There is now a very marked contrast 
between the physical condition cf the inhabitants of London and all other large English towns and those of 
Berlin and all other large Gerrnan tnwns. The German towns contain a much larger proportion of tall, well- 
developed men and woxnen thart do the English towns, and in no large Gerrnan towns is it pcssihle to lind such 
masses of undersized, ill-developed and sickly-looking people as are to be found in the poorer districts of 
London, Manchester, Liverpool, Birmingham and all other large British towns. The contrast between the dress 
and the rest ofthe outward condition of the town population of Germau and English towns is also very great. 
In Germany warnen in shabhy and ragged clothes are very rearly seen ; men in shabby and ragged clothes ate 
seen occasionally, intermixed with the rest cf the population, but such collections of persons, badly washed and 
badly clothed as are to be seen daily in Manchester in front of the Intirmary and in every part of the poorer 
districts of other large English towns are to be seen in no part o! any Gerrnan town und so weiter. Aus den Worten 
des vorurteilslosen Verfassers erhellt, welche Riesenarheit es bedeutet, diese Leute aus ihren Lebensgewohn- 
heiten herauszureißen, sie an höher geartete Begriffe zu gewöhnen. Der gelernte Arbeiter ist in dieser Hinsicht 
wesentlich verschieden vom ungelernten.
	        
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