menschen und dergleichen hat man so gezeichnet gesehen und der junge Künstler wagt,
das greifbar zu machen, um eine Stimmung seiner ringenden Seele los zu werden. Pariser
Eleganz haben dagegen die Plastiken Edvard Wittigs, darunter das marrnorne Porträt-
iigürchen einer jungen Dame in dezent bemessener Stilistik. Voll Kraft die Porträtmasken
von Konstanty Laszczka. Alles in allem die lohnendste Ausstellung der bisherigen Saison.
RODIN. Rodinsche Zeichnungen und Radierungen sah man im Kunstsalon Heller aus-
gestellt. Die Berührung mit diesem mächtigen Geist erfrischt immer. In ihm quillt
unendliches Leben und trachtet unausgesetzt, Form zu werden. Man kennt ja seinen Drang,
aus dem Gewimmel von Motiven der Bewegung, der Erscheinung, der Veränderung, aus
diesem rastlosen Kaleidoskop des Lebens Einzelheiten herauszuhaschen und eilends fest-
zulegen. Als die Tänzerinnen von Kambodscha auf der MarseillerAusstellung agierten, konnte
er sich an diesem unverballhomten Naturschatz von Originalbewegung, urwüchsiger
Gebärde, Attitüde gar nicht satt sehen und satt skizzieren. Manches davon war auch hier
ausgestellt, blitzartige Gedächtnisbilder, wie sie ein Kodakgehirn aufbewahrt. Alle Welt
war allerdings von diesen Rodiniana nicht befriedigt. Es hieß, man stelle solche Dinge
nicht aus. Nun, es gibt einige Leute, die das Talent haben, davon entzückt zu sein, wenn
sie einen Blick in die künstlerische Hirntätigkeit eines solchen Eigenmeisters tun können.
Wie das Motiv empfangen wird, was ihn an dem Motiv gereizt hat, wie er erregt nach-
tastet und so eine Kurve ein dutzendmal probend hinsetzt, so daB die richtige gewiß darunter
sein muß, . . . welche, das spürt dann wiederum nicht jedes Auge heraus. Und dieses un-
endliche Spielen mit Möglichkeiten der Linie, der Fläche, des Verhältnisses, des Rhythmus,
das unaufhörliche Experiment, wie sich diese Wesensteile fügen, schneiden, verschränken,
sich suchen und meiden. Es ist da viel Verwandtes mit Klimt, dessen zahllose Zeichnungen
nach der Natur eben solchen Problemen nachspüren und sie variationenweise ergründen.
Auch wie Rodin diese Sachen zeichnet und mit einem Wölkchen Farbe so belebt, daB
seine Absicht oder sein Wunsch deutlich wird, ist anziehend genug. Er hat sich dafür tat-
sächlich einen Stil gemacht. Und man begreift, daB er gerade an diesen Arbeiten mit
ganzem Herzen hängt und sie gar als Museum einrichten will. Das große Publikum wird
ja nicht hineingehen oder gleich wieder hinaus, aber die Naturforscher der Kunst werden
da gleichsam eine Sammlung finden von Phonogrammen des Rodinschen Gedankens. Näher
hinan kann man an diesen nicht, wenigstens bei jetzigem Stand der Physik, also muß man
sich schon mit solchem Archiv begnügen. Die Radierungen Rodins, meist Porträte (Hugo,
Becque, Proust), sind die eines Bildhauers, der sich mit größter Genauigkeit über den
physiognomischen Tatbestand unterrichten will. Wie bis ins kleinste arbeitet er so ein Profil
aus, und manchen Kopf radiert er von drei Seiten, offenbar als Vorarbeit für die Büste. Die
Ausführung ist denn auch nichts weniger als virtuos, eher geduldig und unbeholfen, wie
Aufzeichnungen über einen Gegenstand, den man zu bearbeiten hat.
IENER PHOTOKLUB. Dieser hervorragendste Amateurklub des Kontinents, der
unter der Protektion Ihrer k. u. k. Hoheit der Erzherzogin Maria Josefa steht, feiert
seinen zehnjährigen Bestand mit einer schönen Ausstellung bei Miethke. Gegründet
wurde er x8g7 von Beamten der Österreichisch-ungarischen Bank, die auch seine erste tech-
nische Einrichtung bestritt. Die Zeitströmung führte auch hier eine Sezession herbei, mit
nachträglicher mehrmaliger Spaltung, wobei aber das Moderne den Sieg behauptete. Mit
dem Erscheinen der Newyorker Photosezession auf seiner Ausstellung 1904 verstummte
jede Gegnerschaft. Das rein künstlerische Moment wurde die Hauptsache, die Verwertung
von Licht und Schatten, das Problem des Freilichts, dazu die lebensvolle Komposition,
das heiße blitzschnelle Erfassung des günstigen Augenblicks, wo die Gegenstände sich selbst
gut gruppiert haben. Auch wissenschaftliche Photographie wird mit Eifer betrieben. Tech-
nische Errungenschaften werden alsbald verwertet und auch Neues geschaffen. So waren
die orthochromatischen Bilder von Heinrich Kühns und Pichier die ersten in ihrer Art und