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Charakter einer Fachschule, dass in ihren Unterrichtsplan irgend ein Gegenstand aufge-
nommen werde, der mit der gewerblichen Fachbildung nichts zu thun hat; zweitens be-
suchen die Fachschule zumeist nur Personen, welche schon vorher an der Volksschule
oder an einer anderen Lehranstalt Religionsunterricht genossen haben, und drittens ge-
hören die Frequentanten der Fachschule der Schneider-Genossenschaft verschiedenen Glau-
bensbekenntnissen an, so dass eine gleiche Berücksichtigung Aller in Bezug auf den Re-
ligionsunterricht kaurn durchführbar wäre. Unter solchen Umständen halt die Majoritat
der Sectiun dafür, dass der Fachschule der Religionsunterricht überhaupt abzunehmen sei,
wahrend die Minoritat der Ertheilung eines Unterrichtes in der allgemeinen Sittenlehre
durch einen weltlichen Lehrer das Wort spricht.
Im Weiteren drückte die Genossenschaft der Kleidermacher den Wunsch aus, es
mögen ihren Fachschulen zweckdienliche Lehrmittel, namlich Lehr- und Lesebücher,
Zeichenvorlagen etc. oderFgeeignete Werke zur Anlage einer Bibliothek zugewendet, sowie
die Ausbildung tüchtiger achlehrer gefördert werden. Die Section erinnert, dass in der
letzten Beziehung das Ministerium bereits die Initiative ergriffen hat , indem es einen An-
gehörigen der Kleidermacher-Corporation mit einer Subvention von aooo H. zum Zwecke
der Sammlung von Erfahrungen und Kenntnissen, welche ihn zum Fachlehrer qualif-iciren,
entsendete. Was die Beschaffung von Lehrmitteln anbelangt, dürfte sie der Genossen-
schaft selbst um so eher möglich sein, wenn ihr zur Bestreitung der sonstigen wieder-
kehrenden Ausgaben für ihre Fachschulen die Gewerbeschulbeitrage der Mitglieder theil-
weise erstattet werden.
Die Vorstände der übrigen Genossenschaften der Bekleidungsindustrie, und zwar der
Handschuhmacher, Schuhmacher, Hutmacher, Kürschner und Putzwaaren-
erzeuger, ferner die Genossenschaftsvorstande der Decken- und Matratzenmacher,
Kammrnacher, Hufschmiede und Klaviermacher, stellen auf die Errichtung von
Fachschulen für ihr Gewerbe keinen Antrag und daher auch kein Ersuchen um Unter-
stützung. Momente, welche die erwähnten Genossenschaftsvorstande zur Begründung ihrer
Aeusserungen anführen, sind theill die zu geringe Zahl der Lehrlinge, theils deren Mangel
an genügender Kenntnissder deutschen Sprache und an sonstiger Vorbildung, das voraus-
sichtlich schwache Interesse der Lehrherren und in Folge 'dessen auch ein wahrscheinlich
geringer Schulbesuch seitens der Lehrlinge, die unvollkommen: Anwendbarkeit des Fach-
unterrichtes auf einzelne Gewerbe, der Mangel eigentlicher Facharbeiter, das Ausreichen
der bestehenden Gewerbeschulen etc.
Die Genossenschaft der Uhrmacher, welcher eine Faehschule als ein wirkliches
Bedürfniss erschienen war, hat, wie die Section vernimmt, vor kurzem eine derartige
Schule eröffnet; auch sind zur Ausbildung eines Fachlehrers vom Ministerium bereits die
Mittel bewilligt worden.
Für die Gruppe der Baue und Decorationsgewerbe mangelt es bisher an
solchen öffentlichen Schulen, in welchen junge Arbeiter durch Erwerbung von Fachkennt-
nissen eine besondere Leistungsfähigkeit und die Eignung erlangen könnten, als WVerk-
meister oder Poliere thatig zu sein. Lehrwerkstatten, wie eine solche mit der Gewerbe!
schule in der Jagerzeile verbunden war, bieten nicht genug praktischen Erfolg und es
musste dieses Mangels wegen auch die eben erwahnte Anstalt wieder aufgelassen werden.
Nunmehr ist die Genossenschaft der Bau- und Steinmetzmeister zur Errichtung einer
Fachachule geschritten und sie hat bereits einen Concurs für die Lehrerstellen ausge-
schrieben. Für das Zimmermannsgewerbe wäre eine Fachschule, in der namentlich
Fachzeichnen, Berechnung der Dimensionen wie des Flachen- und Korperinhaltes von
Hölzern, das Verfassen von Vorausmassen und Kestenüberschlagen u. dgl. zu lehren sein
würden, ebenfalls von grbsstem Nutzen und die Section kann den auf die Errichtung
einer solchen Schule abzielenden Wunsch der Genossenschaft nur lebhaft unterstützen.
Das Anstreichergewerbe hat in den letzten Jahren eine Entwicklung genommen,
die es den Kunstgewerben nahert und die zu ihrer Fortsetzung bedingt, dass die Erler-
nung des Gewerbes fernerhin nicht mehr eine rein empirische, sondern von der Aneignung
theoretischer Kenntnisse und von der Bildung des Geschmackes begleitet sei. Dasselbe
gilt von dem Gewerbe der Wagenlackirer und es muss daher rnit Befriedigung erfüllen,
dass die Genossenschah in voller Würdigung der Sache eine Fachschule projectirt und ein
Statut für diese Anstalt dem Wiener Magistrate bereits im Jahre 186g zur Genehmigung
vorgelegt hat. Gelingt es der Genossenschaft nach erfolgter Genehmigung des Statuts,
die Schule mit tüchtigen Fachlehrer-n zu versehen, so verdient dieselbe jedenfalls die von
ihr angesuchte materielle Unterstützung.
Von Seite des Vorsteher: der Tischler-Genossenschaft liegt die Erklärung
vor, dass diese Corporation zu den Kosten einer Fachschule, die für das Gewerbe von
grbsstem Nutzen sein würde, allerdings beitragen wolle, dass sie aber rnit ihren be-
schränkten Mitteln nicht an die Errichtung dieser Anstalt eben kenne. Höchst wün-
schenswerth erscheine es ferner, dass in allen Bezirken iens Bau- und Maschinen-
Zeichenschulen nach Art der im k. k. Gusshauae auf der Wieden bestehenden errichtet