Das Ereignis, welches nach der Lehrzeit bei Griepenkerl am mächtigsten
auf Grolls künstlerische Entwicklung eingewirkt hat, war ein fast zweijähriger
Aufenthalt in Italien (Juni 1876 bis Frühjahr 1878), welcher ihm durch die
opfervolle Güte einer Verwandten ermöglicht wurde. Mit einem Jugend-
freunde und Kunstgenossen, dem Bruder seiner späteren Gattin, Hyazinth von
Wieser, war er in das gelobte Land der Kunst gezogen; allein kehrte er
zurück, nachdem er den Freund, den eine tückische Krankheit erfaßte, treu
gepflegt und in fremder Erde bestattet hatte. Es war der erste, aber nicht der
letzte Aufenthalt in Italien. Wiederholt kehrte er dahin zurück. Der Frühling
1887 sah ihn auf Capri und in Rom; im Herbst 1888 finden wir ihn in Venedig;
1892 am Cornosee, in Genua und Mailand; 1894 in Rom, 1900 und 1901 in
Dalmatien und Venedig und vielleicht kann man sagen, daß jeder solche
Aufenthalt eine Etappe seiner künstlerischen Entwicklung bedeutet. Am ent-
schiedensten gilt dies vielleicht von dem letzten Aufenthalt in Venedig, bei
welchem er sich die Inspirationen für Stil und Komposition seines letzten und
größten Werkes, die Malereien in der Kirche zu Haindorf, geholt und auf die
Freskotechnik der Venetianer, namentlich Tiepolos, das sorgfältigste Studium
verwendet hat. Von dem Einfluß, welchen die Studienaufenthalte in Dalmatien,
am Quarnero und am Gardasee auf die spätere Entwicklung seiner maleri-
schen Technik und sein künstlerisches Erfassen der Landschaft gehabt
haben, wird später noch zu sprechen sein. Schon vor Beginn der ersten Italien-
fahrt waren an den jungen Künstler die ersten Aufträge ergangen. Er begann
sich als Porträtmaler zu betätigen, welchen Zweig seiner Kunst er bis an sein
Ende neben seinen historischen und monumentalen Arbeiten mit Eifer und
Glück gepflegt hat und worin er, namentlich bei solchen Aufgaben, welche
eine schärfere Charakteristik und geistige Erfassung einer Persönlichkeit
forderten, Treffliches leistete. Irn Jahr 1876 entstand im Auftrag des Mini-
steriums das Bildnis Bauernfelds; später (1886) malte er das Porträt der Erz-
herzogin Maria Theresia; im Auftrag der Königin von England das Porträt
des Fürsten Alexander von Bulgarien (1887); dann das Porträt der Kronprin-
zessin Stephanie (1888), das Porträt des Prager Architekten Wolf und in der
Folge noch die Bilder einer Anzahl von bekannten Wiener Persönlichkeiten,
des Präsidenten Dr. Spitzmüller, des Hofrates Chrobak und andere. Im Jahr
1874 war er auch als ordentliches Mitglied der Wiener Künstlergenossen-
schaft beigetreten, welcher er durch alle Kämpfe und Wechselfälle, die in der
Folge die Wiener Kunstorganisation durchtobten, bis ans Ende treu blieb.
Die Genossenschaft gab ihm einen Beweis ihres Vertrauens, indem sie ihn
als Kommissär und Juror für die österreichische Kunstabteilung auf der Welt-
ausstellung in Chicago verschlug.
Unmittelbar nach der Rückkehr von Italien (1878) begann er mit der
Ausführung eines größeren Auftrags, welcher ihm von der braunschweigischen
Regierung für zwei Porträts braunschweigischer I-Ierzoge in der Aula des dor-
tigen Polytechnikums und für zwei große Deckengemälde im Treppenhause
desselben Gebäudes erteilt worden war. Die beiden Deckengemälde bringen