Jesus im Pilgergewand. Im Vordergrund eine prächtige Gruppe: eine Mutter
mit einem kranken Knaben, welcher ein Diakon Labung reicht. Dargestellt
ist der Moment, in welchem es wie eine schauemde Ahnung durch die Ver-
sammlung geht, wer hier christliche Liebe heische. Für diesesWerk, welches
im Jahre 1894 begonnen wurde, erhielt Groll x8g6 von der Wiener Kunst-
akademie den Reichel-Preis. Diese Werke zeigen, ganz abgesehen von
koloristischen Verdiensten, ein außerordentliches Ausreifen der Formgebung
des Künstlers, einen freien großen Zug der Linien, und es war eine verdiente
Auszeichnung, eine wohlberechnete Nutzbarmachung seiner Kraft, als Groll
im Jahre 1887 zum Lehrer des Aktzeichnens an der Kunstgewerbeschule des
k. k. Österreichischen Museums ernannt und 1894 als wirklicher Lehrer der
VIII. Rangklasse mit dem Titel Professor angestellt wurde. Über seine Tätig-
keit als Lehrer und die Art, wie er die gestellte Aufgabe anfaßte, wird später
noch zu sprechen sein.
Nicht lange nachher trat zum erstenmal eine der Aufgaben an ihn
heran, in welchen er später so Bedeutendes leisten sollte. Am Eingang des
Ybbstales liegt die große Wallfahrtskirche auf dem Sonntagsberg, erbaut von
Jakob Prandauer, und von Daniel Gran im Jahre 1720 mit Deckenmalereien
geschmückt. Aus dieser umfangreichen Komposition, deren interessantes
Hauptbild, der Sturz der I-Iäretiker durch den Erzengel Michael, hier wieder-
gegeben wird (Abb. 3), waren im Laufe der Jahre einzelne Stücke durch
Lockerung des Mörtelverputzes herausgefallen und so die Wirkung des
Ganzen empfindlich gestört. Groll erhielt im Jahre 188g den Auftrag zur
Restauration dieser Decke, welche Ilg als eine der bedeutendsten Arbeiten
Grans bezeichnet, und bekam damit zum erstenmal Gelegenheit, sich
einerseits in die Technik der Freskomalerei und andrerseits in die Formen-
sprache eines der führenden Künstler des österreichischen Barockstils einzu-
leben, um sie verständnisvoll und treu nachzubilden.
Diese Arbeit, welche vortrefflich gelang, führte nicht allzu lange nach-
her zu einem weit größeren und wichtigeren Auftrag: der Restaurierung der
Deckenmalereien oder genauer gesagt der gesamten Deckendekoration, mit
welcher Andrea dal Pozzo die von ihm im Auftrag Ferdinands III. nach Be-
endigung des Dreißigjährigen Krieges im prunkvollsten Jesuitenstil erbaute
Kirche des Ordens am alten Universitätsplatz zu Wien geschmückt hatte
(Abb. 4}. Diese umfangreiche Arbeit, welche den Künstler, selbstverständlich
im Verein mit Dekorationsmalem und Stukkateuren, vier Jahre beschäftigte
(1896 bis 1900), ging über eine bloße Restauration weit hinaus. Das Zerstörungs-
werk, welches zweieinhalb Jahrhunderte an dem Werke des italienischen Ba-
rockkünstlers angerichtet hatten, war weit gediehen und auch durch den Ver-
such einer teilweisenWiederherstellung, den um die Mitte des vorigen]ahrhun-
derts Peter Krafft gemacht hatte, nicht gehemmt worden. Pozzo hatte seine
Bilder al secco auf den Deckenverputz gemalt, vermutlich um sie rascher zum
Abschluß bringen zu können, und die Dauerhaftigkeit seines Werkes eben
dadurch schwer geschädigt. Abgesehen von der Schwärzung durch Rauch