Künstlern hatten diese Werke vorher gesehen, ohne einen Eindruck zu
empfangen. Man sieht recht deutlich die Schranken aller und jeder Milieu-
theorie. Auf jeden Menschen, zumal auf den künstlerischen Menschen, wirkt
nur, was ihm gemäß ist und was er aus Eigenem nachbilden kann. Bei Groll
kommen allerdings andere Einflüsse helfend hinzu. Er war geboren am
6. September 1850 als Sohn eines Mannes, welcher in der kunsttechnischen
Entwicklung Österreichs eine gewisse Bedeutung besitzt. Der ältere Groll
war Angestellter in dem Laboratorium des um die chemische Industrie
Österreichs so hochverdienten Professors v. Schrötter und hatte sich eine
für die damalige Zeit außerordentliche Technik des Photographierens ange-
eignet, die er zur Aufnahme hervorragender Architekturwerke, namentlich
von Innenräumen und ihren Dekorationen, verwendete. Diese Aufnahmen
wurden von Künstlern hochgeschätzt, viel gekauft und bildeten noch nach
dem Tode des Vaters eine Einnahmequelle für die hinterbliebene Familie.
Vieles von dem Schönsten, was es in österreichischen Landen an Architektur
und Innendekoration gab, lernte der junge Groll auf diesem Weg frühzeitig
kennen und frühzeitig machte er auf diese Weise auch die Bekanntschaft
einer Anzahl von hervorragenden Künstlern, ein Umstand, der vielleicht
nicht wenig dazu beigetragen hat, die Wahl seines künftigen Lebensberufes
zu bestimmen. Im Herbst des Jahres 1866 trat Groll in die Wiener Akademie
ein. Dort wirkte auf ihn vorzugsweise der Einfluß jener Schule, welche durch
Karl Rahl begründet worden war. In Rahl vollzog sich die Loslösung der
Wiener Monumentalmalerei von der romantisch-mittelalterlichen Richtung,
welche um die Mitte des XIX. Jahrhunderts in Josef Führich und dem von
ihm in der Alt-Lerchenfelderkirche gemalten Freskenzyklus ihr größtes Werk
geschaffen hatte und späterhin namentlich in der malerischen Ausschmückung
der Votivkirche seit x875 durch Trenkwald, Laufberger und Wörndle eine
schöne Nachblüte erlebte. Nach Absolvierung der grundlegenden Studien
arbeitete Groll zwei Jahre (Juni 1871 bis I-Ierbst 1873) bei Griepenkerl,
welcher an der Akademie neben Eisenmenger und Bitterlich vorzugsweise
die Tradition der Rahlschen Richtung fortführte. Griepenkerl benutzte den
jungen Künstler vielfach bei der Ausführung eigener Arbeiten; es war eine
Zeit strenger Durchbildung im Handwerklichen seiner Kunst, die damals von
ihm zuweilen als Zwang empfunden wurde, aber sich für das spätere Schaffen
des Künstlers als ungemein segensreich erweisen sollte.
Albert Ilg in seiner schönen Arbeit über Daniel Gran (Mitteilungen des
k. k. Österreichischen Museums, Neue Folge, I. Band) klagt darüber, daß von
den großen Künstlern jener Zeit in Österreich fast nichts über ihr Leben und
ihre Arbeiten aufgezeichnet worden sei und daß darum die Geschichte ihres
Schaffens vielfach mit willkürlichem und anekdotischem Material zu rechnen
habe. Auch Groll war kein Memoirenschreiber wie mancher französische
Künstler älterer und neuerer Zeit; es war ihm, wie vielen seiner Kunst-
genossen, gemäßer, seine Gedanken mit Stift und Pinsel auszudrücken als
mit der Feder. Aber wir besitzen von ihm wenigstens ein freilich im lapidarsten