Zwei bemalte Höchster Figurenleucbter, um 1765 (Sammlung Schöller in Berlin)
Wirkung München geraume Zeit hindurch stand. Wohltuende Einfachheit gewann diesmal
die Oberhand, damit die Ausbildung der künstlerisch gearteten Zweckform, ohne jedwede
moderne Extravaganz notabene. Aus allem spricht der gleiche Geist, der Münchens bauliches
Wachstum begleitet, vor den neuzeitlichen architektonischen Trostlosigkeiten bewahrt hat,
wie sie sich in andern Großstädten breit machen. Welche deutsche Stadt hätte solch eine
stattliche Reihe von künstlerisch hochbedeutsamen öffentlichen wie privaten Bauten der
Neuzeit, Schulen, Kirchen, Brücken, Bädern, Friedhöfen und so weiter aufzuweisen wie
München? Keine, auch die Reichshauptstadt nicht. In München ist glücklicherweise seit
langem das künstlerische Element suprema lex gewesen. Der greise Prinzregent soll trotz
allem Interesse für das millionenschluckende Unternehmen, das die Stadt allein auf sich
nahm, in seiner liebenswürdigen Art jede Einmischung in das Wesen der Entwürfe ab-
gelehnt und gesagt haben: „Ich will mich überraschen lassen". Nicht er allein mag überrascht
gewesen sein; manch andrer wohl auch. Man ist vorn Prinzip des „Ausstellungspalasts"
abgegangen. Die verschiedenen Stoffgebiete, welche einen Überblick über das gesamte
produktive Schaffen der Isarstadt geben, Groß- und Kleinindustrie, Kunst und Kunsthandel
jeder Richtung, munizipale Arbeit auf allen Gebieten etc. etc. umfassen, sie wurden in
mächtigen Hallenbauten untergebracht. Unter sich sind diese durch niedrigere Verbindungs-
bauten geeint. Das Ganze lehnt sich an einen köstlichen alten Park an. Das Zusammen-
stimmen der groß-silhouettierten Gebäudemassen mit dem vorhandenen Baumbestand, der
Übergang von den straff konstruktiven Formen zur Natur, das Verhältnis der außer-
ordentlichen anmutig kleineren Gebäudekomplexe zu den Gesamtraumverhältnissen, die
Gestaltung der größeren und kleineren offenen Plätze, die Verbindung von Nutzbau und
gärtnerischer Anlage, all das ist so vorzüglich gelöst, daß es selbstverständlich wirkt, so, als
hätte das alles von jeher dagestanden, als wär' es zusarnxnengewachsen. Von Bauamtxnann
Bertsch rührt der Entwurf zur Gesamtanlage her; eine Reihe andrer Architekten war mit
der Ausführung von Einzelnem betraut, so Professor Littmann mit der des Künstler-
theaters,einerneuzeitlichen Schöpfung, derenZweck, die völlige Loslösung der dramatischen
Aufführungen von dem öden Ballast der bisher gültigen Bühnentechnik mit ihren Kulissen,
Soflitten, Hintergründen, Versenkungen, räumlich schreienden Mißverhältnissen und so
weiter, vorzüglich gelungen ist und diesem heillosen Plunder hoffentlich für immer die
Wiederanwendung verbietet.