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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 10)

uninteressanten, seiner wesentlichen Erscheinungsmomente längst beraubten Tores, jenes 
am Ende der Sendlingerstraße, sind schon einige Hektoliter Tinte verbraucht, einige 
Quadratmeilen Schreibpapier verschrieben, ungezählte Reden gesprochen worden und 
doch bleibt das Ding nur ein ruinöser, absolut uninteressanter Backsteinbau. Hier aber, 
wo ein glänzendes Beispiel von Dingen gegeben wird, welche die Zeit braucht, dringend 
braucht, soll nach wenig Wochen wieder Pickel und Brecheisen an die Reihe kommen? 
-- Ja, München hat bei Moosach, hinter Schwabing, in Giesing große Friedhofanlagen 
von eigenartiger Schönheit, es hat draußen bei I-Iolzapfelskreut seinen überaus poeti- 
schen, schönen Waldfriedhof, aber all die intimen Reize der Friedhofgärten, der Hallen, 
der Kirche, den feinen Zauber der von Künstlerhand geschaffenen Dinge, die dort in 
der Ausstellung untergebracht sind, das haben sie noch nicht alle. Wäre es angesichts 
der vielen Millionen, die von der Ausstellung auf Nimmerwiedersehen geschluckt worden 
sind, eine gar so unerschwingliche Ausgabe, nach Schluß nicht bloß die geleerten, monu- 
mentalen Hallen für künftige Zwecke zu konservieren, sondern auch diesen einen, unüber- 
trefflich reizvollen und vorbildlich so wertvollen Teil? München besinne dich! Es ist der 
Mühe wert! 
Breiten Raum beansprucht natürlich, was mit mehr oder weniger Recht unter dern 
Titel: „Raumkunst" in einem großen Teil der Ausstellungshallen sich untergebracht findet. 
Erstlich sind da verschiedene Repräsentationsräume, unter denen die in allerschwerstem 
Barock ausgeführte Prinzregentenhalle künstlerisch jenen Rang nicht ganz erreicht, den 
sie ihrer vornehmen Bestimmung nach eigentlich einnehmen müßte. Was würdevoll zu 
wirken bestimmt ist, braucht nicht massig schwer zu sein; was aber die in dem vorgelagerten 
Raum vorhandenen Wandmalereien betriHt, so würde der Mantel christlicher Liebe für sie 
nicht ausreichen - weitaus besser wären ein paar Kübel voll gutdeckender Tünche. 
Wirklich reizendwie das geschickt nachempfundene, an Biedermeier-Klassik sich anlehnende 
Äußere des „königlichen Postamtes", das keineswegs an die Zeit der Automobile, der 
elektrisch betriebenen Fahrzeuge erinnert, ist dessen einfache, geschmackvolle innere 
Ausstafüerung, die den Beweis erbringt, daß auch bureaukratische Einrichtungen angenehm 
zu wirken imstande sind, vorausgesetzt, daß der rechte Mann sie schaffe. Nur eines wollte 
dem Schreiber dieser Zeilen nicht recht einleuchten: Die marmorierten Säulen, an denen, 
mit Stecknadeln festgesteckt, Wetterprognosen oder so was ähnliches hingen! Wollte der 
Erbauer dieser liebenswürdigen Kopie eines Postgebäudes aus Urgroßvaters Postkutschen- 
Zeiten spaßhafte Andeutungen über den Wert der Materialechtheit machen? - -Vielleicht! 
- nahm doch die gut kaschierte Materialunechtheit in München vor nicht gar langer Zeit 
eine äußerst bedeutsame Stellung ein! 
Überaus imponierend wirkt der durch keinerlei peinliche Unterbrechungen in seiner 
räumlichen Erscheinung beeinträchtigte große Saal des Hauptrestaurants, ein Werk von 
Em. v. Seidl. Es ist nicht der Charakter der sattsam bekannten Münchner Bierpaläste, der 
hier tonangebend wirkte. Die feine Stimmung der verwendeten Hölzer und Steinmaterialien, 
das völlige Vermeiden aller an den BegriB'„Kneipe" erinnernden Anklänge, die luftige Weite 
des hochgelegten Gewölbes, das Arrangement der nicht allzugroßen Tische, all das gibt 
dem Raum echte Vornehmheit. Er ist denn auch nicht vorzugsweise vom biertrinkenden 
Münchner Publikum aufgesucht worden. Reizend ist der kleine „Ländliche Gasthof" von 
Architekt Zell, der nicht bloß in der Disposition äußerst glücklich wirkt, sondern auch in 
allen Einzelheiten, besonders in der knappen Art derZimmereinrichtungen ein außergewöhn- 
liches Maß richtigen Takts olTenbart. Gleich daneben stehen die äußerlich ganz angenehm 
wirkenden zwei Hellerauer Gartenstadthäuser von Richard Riemerschmidt, dem die Leitung 
der Einbauten in den großen Hallen in der Hauptsache oblag. 
Imponierend groß der Zahl nach sind aber all jene Gemächer, die dem dereinstigen 
Besitzer als Wohn-, Schlaf-, Speise-, Bibliotheks- oder sonstwie-Zimmer dienen sollen. In 
manchen dieser Zimmer bilden Farhenakkorde subtilster Art die Grundsdrnmung des 
Ganzen; andre wirken durch kräftiger ausgesprochene Akzente. Nirgends macht sich ein
	        
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