AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN S0- VON
LUDWIG HEVESI-WIEN 50
EIN KAISERLICHES JUBELGESCHENK. Ein weltliches und ein geistliches
Jubiläum decken sich: das sechzigjährige des Kaisers und das fünfzigjährige des
Papstes. Aus diesem Anlaß hat Seine Majestät Seiner Heiligkeit ein priesterliches Juwel
verehrt, das Wiener Plastik und Juwelierkunst auf ihrer jetzigen Höhe kombiniert. Es ist
ein vierzehn Zentimeter langes Brustkreuz in mattem Gold und Edelsteinen, beziehungs-
weise Email von drei Farben. Der Stil nimmt sich Freiheiten der Barocke, aber in
modernem Geiste. Die vier Kreuzarrne sind nämlich oval abgerundet, wie längliche Blumen-
blätter, die mit kurz abgeschrägten Winkeln zusammenstoßen. Sie sind doppelt mit a jour
gefaßten Edelsteinen umsäumt; zuerst mit fünfzig Rubinen (die Papstjahre), dann mit
sechzig Brillanten (die Kaiserjahre). Zwischenhin läuft ein schmaler grüner Emailstreifen
aus Lorbeerblättern mit einem zierlich geschnittenen Goldornament von kleinen Blätter-
spitzen. Die Abschlüsse der Kreuzarme sind niedliche, vierfach geflügelte Engelsköpfchen
von etwa fünf Millimeter Durchmesser. Die Vorderiläche des Kreuzes ist ganz mit kleinen
Brillanten inkrustiert, von welchem irisartig flimmrigen Grunde sich der Kruzitixus, massiv
in Gold gegossen und fein ziseliert, abhebt. Die Colane des Kreuzes bildet ein ornamental
verschlungenes Band, in Gold und grünem Email. Die Riickplatte ist abzuheben und hat
zwei lateinische Inschriften: außen die Widmung (von Professor Borrnann), innen die
Namen der an der Herstellung Beteiligten: l-Iof-Juwelierlirma A. E. Köchert und Bildhauer
Professor Stephan Schwartz. Das reizende Goldschmiedewerk hat bei seiner Ausstellung
in der kaiserlichen Schatzkammer volle Anerkennung gefunden.
KÜNSTLERHAUS. Die Herbstausstellung der Genossenschaft, an die 4oo Num-
rnern, meist von Wiener Künstlern, zeigt mancherlei Fortschritt. Etliche Jüngere,
die bereits zu einer bequemen Schablone „durchgedrungerw waren, haben sich wieder
besonnen und treten erfrischt auf den Plan. Meist sind es Porträtrnaler und Landschafter.
Adams hat eine bedeutende Porträtaufgabe, Herr und Dame mit zwei Reitpferden in
Landschaft (Fabrikant Kurz in Jägerndorf) interessant komponiert und auf eine dunkel
gehaltene „Hall" gestimmt. Pochwalski ermannt sich nach mehrjähriger Flauheit zu
einigen lebenden Köpfen, ja selbst zu einem Nationalkostüm von schimmernder Tonhaltung
(Ritter von Fedorowicz). Krauß ist voll koloristischer Pikanterie in der rot und blau
changierenden Standfigur des Fräuleins Thompson (die er voriges Jahr mit dem Muff so
glücklich wiedergab), Joannowits harmonisiert eine lebensgroße Beaute in ihrem Interieur
ganz delikat, Epstein modelliert markig, in der Farbe etwas ungustios, Veith malt das
Froufrou seiner hellichten Damen und Kinder weiter, Schattensteins Herrenbildnis ist
gut plaziert und fesch gegeben, Rauehingers energisch traktiertes weibliches Profil, Scharfs
hochsolid gegebenes Damenbild haben ihr Verdienst. Ferraris, Temple, Schiff, Gsur,
Uhl, Koch (Lotte Witt als „Zurillingsschwesterä farbige Federzeichnung) sind zu nennen.
Einige Landschaften sind vorzüglich. Brunner ist weitaus tiefer und plastischer geworden,
Baschnys „Ausblick" auf eine sonnbeschienene Ebene hat eine schöne Weite und Helle,
Poosch' „Klosterneuburg" hat seine tiefgegriffenen Töne, auch Suppantschitsch greift
jetzt seine Waldviertelbilder tiefer, Gellers Dürnsteiner Kircheninterieurs haben wirkliche
Qualität, Jungwirths „Sonniges Erntefeld", Kinzels „Dämmerung im alten Gäßchen",
Becks Terrainstudien aus dem Hochgebirg, dann einiges von Darnaut, Quittner, Zetsche,
Prinz, Grasser, Ranzoni, Gerrnela, Schwarz fesselt den Blick. Weniger reichlich ist das
Genre. Windhager erregt viel Aufmerksamkeit („Beim Heurigen") durch ungemein leben-
dige Beobachtung und diskreten Vortrag, Ruzicka, Karlinsky, Larwin, Krestin, Friedländer
und andre sind zu nennen, unter den Blumen die geschmackvollen Azaleen von Elsa
Eder. Auch an hübscher, wenn nicht bedeutender Graphik fehlt es nicht. Die starke