Keimen und Blühen und Früchtetragen auch der heutigen Kunst
Österreichs beruht. Vor allem die Kunstindustrie ist unter des
Kaisers Regierung neu geschaffen worden. Wir denken heute
anders und besser von der vormärzlichen Wohnungskunst, als man
vor 40 ]ahren von ihr dachte. Die Stimmung, welche die Gegen-
wart erfiillt, ist verständnisvoller der biedermeierischen, bürgerlichen
Nutzkunst, dem letzten historischen Stil, den die Geschichte auf-
weist, zugewandt. Wir suchen sie wieder auf, man knüpft an ihre
solide Technik an, in welcher ein gemütliches, selbstzufriedenes,
jeder Effekthascherei abholdes Leben zum Ausdruck kam. Aber
wir verkennen gleichwohl nicht, daß, ungeachtet aller Irrungen der
historisch-eklektischen Stilaufsuchung, die seit den fünfziger Jahren
das Schaffen beeinflußte, ja eben gerade durch diese nachahmende
Wiedereroberung alles dessen, was an Technik, Form, Farbe und
Gestaltungsweise früherer großer Zeiten in der Epoche vom Wiener
Kongreß bis auf 1860 verloren gegangen war, unserer Zeit eine
neue Kunst geschaffen oder mindestens der Weg zu ihr gewiesen
worden ist. Es wird immer der Regierungsepoche des Kaisers
Franz Joseph zu dauerndem Ruhm gereichen, daß in ihr nicht nur
der geistige und sittliche, sondern auch der wirtschaftliche Wert
großzügiger Kunstpolitik erkannt und zur Richtschnur des Handelns
gemacht worden ist. Schon einmal, unter Karl VI., dem Schätzer
und Förderer Fischers von Erlach, der die heimische Kunst wieder
zu Ehren brachte, war diese Erkenntnis lebendig geworden. Als
Karl VI. X725 die alte Wiener Akademie, die nach Peter Strudels
Ableben dahinsiechte, „restabilierteß geschah es zu dem Zweck,
damit in dem „Erb-Königreich und Land alljene Künsten ein-
geführet, verbessert oder vermehrt werden, welche demselben zu
"einer Zierde, mehreren aufnahm, und nutzen gereichen, und unter-
thanen zur Erlehrnung aufmunderen, und anraitzen können, und
zwar nach dem exempl dessen, was bey anderen nationen zu
ihrer sonderbaren Hochachtung und nicht geringen aufnahm des
Commercij prakticirt wird". Schon damals waren also die großen
Lehren beherzigt, welche das Frankreich Ludwigs XIV. durch die
Mazarin und Colbert, Lebrun und Lepautre gegeben hatte, wie
man eine bodenständige Kunst schaffen könne, die planmäßig
das ganze Leben durchdringt und die wirtschaftlichen Kräfte des
Landes hebt. Dasselbe ernste Wollen, auf das praktische, wirt-
schaftliche Leben unserer Tage gerichtet, offenbart sich in allem,
was der Kaiser durch die von Erzherzog Rainer und Rudolf von
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