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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 11)

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Keimen und Blühen und Früchtetragen auch der heutigen Kunst 
Österreichs beruht. Vor allem die Kunstindustrie ist unter des 
Kaisers Regierung neu geschaffen worden. Wir denken heute 
anders und besser von der vormärzlichen Wohnungskunst, als man 
vor 40 ]ahren von ihr dachte. Die Stimmung, welche die Gegen- 
wart erfiillt, ist verständnisvoller der biedermeierischen, bürgerlichen 
Nutzkunst, dem letzten historischen Stil, den die Geschichte auf- 
weist, zugewandt. Wir suchen sie wieder auf, man knüpft an ihre 
solide Technik an, in welcher ein gemütliches, selbstzufriedenes, 
jeder Effekthascherei abholdes Leben zum Ausdruck kam. Aber 
wir verkennen gleichwohl nicht, daß, ungeachtet aller Irrungen der 
historisch-eklektischen Stilaufsuchung, die seit den fünfziger Jahren 
das Schaffen beeinflußte, ja eben gerade durch diese nachahmende 
Wiedereroberung alles dessen, was an Technik, Form, Farbe und 
Gestaltungsweise früherer großer Zeiten in der Epoche vom Wiener 
Kongreß bis auf 1860 verloren gegangen war, unserer Zeit eine 
neue Kunst geschaffen oder mindestens der Weg zu ihr gewiesen 
worden ist. Es wird immer der Regierungsepoche des Kaisers 
Franz Joseph zu dauerndem Ruhm gereichen, daß in ihr nicht nur 
der geistige und sittliche, sondern auch der wirtschaftliche Wert 
großzügiger Kunstpolitik erkannt und zur Richtschnur des Handelns 
gemacht worden ist. Schon einmal, unter Karl VI., dem Schätzer 
und Förderer Fischers von Erlach, der die heimische Kunst wieder 
zu Ehren brachte, war diese Erkenntnis lebendig geworden. Als 
Karl VI. X725 die alte Wiener Akademie, die nach Peter Strudels 
Ableben dahinsiechte, „restabilierteß geschah es zu dem Zweck, 
damit in dem „Erb-Königreich und Land alljene Künsten ein- 
geführet, verbessert oder vermehrt werden, welche demselben zu 
"einer Zierde, mehreren aufnahm, und nutzen gereichen, und unter- 
thanen zur Erlehrnung aufmunderen, und anraitzen können, und 
zwar nach dem exempl dessen, was bey anderen nationen zu 
ihrer sonderbaren Hochachtung und nicht geringen aufnahm des 
Commercij prakticirt wird". Schon damals waren also die großen 
Lehren beherzigt, welche das Frankreich Ludwigs XIV. durch die 
Mazarin und Colbert, Lebrun und Lepautre gegeben hatte, wie 
man eine bodenständige Kunst schaffen könne, die planmäßig 
das ganze Leben durchdringt und die wirtschaftlichen Kräfte des 
Landes hebt. Dasselbe ernste Wollen, auf das praktische, wirt- 
schaftliche Leben unserer Tage gerichtet, offenbart sich in allem, 
was der Kaiser durch die von Erzherzog Rainer und Rudolf von 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
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