geometrische Flächenmusterung hin abschließenden Quadrate geometrische
oder streng pflanzliche Ornamentierung, als sollte hier das Ende der Tier-
darstellungen besonders gekennzeichnet und zugleich ein Übergang zu den
strenger gemusterten Flächen geschaffen werden. Wir müssen uns also wohl
mit dem Gedanken abfinden, daß wir den Chormantel heute nicht nur in der
Hauptsache und in der ursprünglichen Ausdehnung vor uns haben, sondern
daß die Verschiedenheit der Dekoration auch schon von Anfang an vor-
handen und beabsichtigt war; doch wollen wir aus dieser Tatsache einst-
weilen noch keine Folgerungen ziehen.
Ob unser Pluviale ursprünglich ein Caputium hatte, ist heute wohl schwer
zu entscheiden; war aber eines vorhanden, so kann es wohl nur ganz klein
gewesen sein, etwa wie bei dem reichligurierten Pluviale Nikolaus IV. in Ascoli
Piceno oder bei dem Pluviale in Hildesheim, das sich heute im South Ken-
sington Museum befindet. Ein größeres Caputium hätte die reiche Figuren-
stickerei in der Mitte des oberen Rückenteils gedeckt.
Wir sehen hier ein großes Rund von vier kleineren Runden umgeben
und mit geometrischer Füllung dazwischen. In der Mitte ist die Madonna mit
dem Kinde thronend zwischen zwei hoch emporwachsenden Lilienstämmen
dargestellt; in den kleineren Kreisen finden wir die vier, auch inschriftlich ge-
kennzeichneten, Evangelistensymbole; die zwei oberen sind allerdings nur
mehr teilweise vorhanden, sonst durch das erwähnte Flickwerk ersetzt. Die
Umschriften um die Hauptdarstellung (Abbildung auf Seite 627) lautet:
v-I-"EELI - MATRONA - CHVNEGVNDIS - SVSCIPE - DONA - CASVLA -
CV - CAPPA - PLACEAT - TIBI - CELICA - MATER. (Herrin des Himmels,
nimm an die Geschenke der Kunegunde; die Casel mit der Cappa möge
Dir gefallen, himmlische Mutter!)
Die Seidenfaden der Stickerei im Kreise selbst sind vielfach verloren-
gegangen; doch tritt die Vorzeichnung so klar hervor, daß man über Motiv
und Bewegung nicht im unklaren sein kann, ja die kunstgeschichtliche Be-
trachtung hat in mancher Hinsicht durch die Aufdeckung der Vorzeichnung
vielleicht gewonnen. In den Gewandteilen unten sind übrigens noch die
Stichlücken der verlorenen geometrischen Füllungen zu erkennen. Außer-
ordentlich überraschend ist das Motiv der saugenden Madonna; immerhin
steht es auch im Mittelalter nicht ohne Parallele da. Wir verweisen hier nur
auf die berühmte „Madonna von Aquileja", die Prälat Professor Heinrich
Swoboda in dem vom Grafen Lanckoronski herausgegebenen monumen-
talen Werke „Der Dom von Aquileja" (Wien 1906, Seite x20 H.) abge-
bildet und eingehender besprochen hat; es findet sich daselbst auch die
Literatur über die Frage der „säugenden Madonna" zusammengestellt. Wir
heben hier nur einige Worte Swobodas hervor: „Im Malerbuche vom Berge
Athos kommt . . . die wmit Milch nährendeg als Titel, aber nicht als ikono-
graphischer Gegenstand vor, der in der byzantinischen Kunst bisher nur an
dem Relief der Pariser Nationalbibliothek . . . nachgewiesen wurde. Jüngere
byzantinische Bilder gleichen Inhalts finden sich im Museo cristiano des