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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 1)

KLEINE NACHRICHTEN 50' 
ERLINER CHRONIK. Als eine Miniaturbühne voll reizender Figurinen stellt sich 
die Ausstellung von Trachtenpuppen in den Salons von Friedmann und Weber dar. 
Ernst Stern, der jetzt die dekorativen Inszenierungen der Reinhardtschen Theater be- 
sorgt und der eben in der Neubelebung der Nestroyschen „Revolution im Krähwinkel" mit 
dem tupiigen Krinolinenchor der Klatschbasen eine lebendige Kostümpuppen-Entrevue 
gegeben, lieferte einen Rahmen voll gaukelnd kapriziöser Phantasie dazu. Eine schillernde 
Märchenwelt von E. Th. A. Hoffmannscher Laune umfängt uns. Die Wände, ausgeschlagen 
in Farben närrisch bunten Mummenschanzes, in Fachwerkreihen eingeteilt, gleich einer 
Serie zierlicher Vogelbauer oder gleich dem Längsschnitt eines Hauses von Gnomen, so daß 
man in die niedlichen nebeneinander geschichteten Stübchen blickt - und darin die an- 
mutigsten Geschöpfe aus allen Kulturgärten des Orients und Okzidents. 
Ein Kulturschauspiel ist diese Ausstellung, wenn man sie auch, rein an sich, nur in 
unkritischer Stimmung, als eine artistische Sinfonie genießen kann. 
Ein Kunstgewerbemuseum in nuce scheint die Abteilung der Trachtenpuppen, die 
sich auch nicht auf die Garderobe beschränkt, sondern mit Stücken alten Spielzeugs die 
Vorstellung von Haus und Wohnung mit Requisit und Gerät neu erweckt. 
Die deutschen Landschaften zeigen ihre Art und Kunst in solchen kleinen, aber 
bis in die Einzelheiten getreulich ausgestatteten Sendhotinnen. Lübecker Waisenkinder 
und Ratsdiener, Dachauer Bräute, Bauern und Bäuerinnen aus Franken, Oberbayern, 
aus dem Hessischen, aus dem Hannoverschen - im Abendmalskleid, im Tanzkleid 
und im Brautkleid; Elsässerinnen und Thüringerinnen in verschiedenen Variationen, 
dabei auch die charakteristische Tracht der Kindermädchen von Berka mit dem Wickel- 
und Tragemantel, das alles zieht auf. Und es vermehrt sich zu einem Karneval der 
Nationen, ähnlich wie im kosmopolitischen Reich des Porzellans. Und wie dort ist be- 
sonders die romantische Ferne, das Exotische beliebt. Das Türkische, Ägyptische, Indische 
reizte die Phantasie. ' 
Besonders fesseln die echten ethnographischen Puppen durch ihre starke und mit 
lebendiger Charakteristik dargestellte Eigenart. 
Vor allen sind das sechs mexikanische Wachspuppen, die aus der Zeit um 1830 
stammen, von Landleuten gearbeitet wurden und Typen ländlicher Arbeiter zeigen. Auf 
das subtilste ist ihre Ausstattung bedacht mit den bunten Stoffen des I-Iüftschurzes, den 
strohgeflochtenen breiten Sonnenhüten, den Korallenkettchen um den Hals der Frauen. 
Die Figurine eines mit Früchten und Blumengezweig von tropischer Wildnis behängten 
und umrankten Burschen könnte sofort zu einem Motiv für eine Sturminszenierung 
werden. 
Die illusionistisch größte Kunst entdeckt man freilich dann in der japanischen 
Provinz dieser Ausstellung. 
Hier sind Figuren von Geishas, tanzend und lautespielend, von Akrobaten und 
Gauklern, im AugenblicksgriE vehement erfaßt. Und die spielenden Glieder und die Be- 
wegungslinien tragen eine lässige Anmut und die zart getuschten Köpfe lächeln mit einer 
Feinheit des Ausdrucks - es ist auch an diesen Puppen der Charme des japanischen 
Lächelns, von dem Lafcadie Hearn spricht; und eine Phantasie voll Raftinements hat sie 
geformt. 
Von einigen Gruppen gehen bestrickende Reize aus. Amoureuse Köpfchen im 
schmachtenden Oval und schlanke, edel gebogene Hände, wie aus Nymphenburger Por- 
zellan, wurden durch zärtlich subtile Kunst geschaffen. 
Verführerisch vor allem ist die aus dem Rahmen gestiegene Miniatur Lady Farrens 
nach Lawrence, ein duftiges Pastellwesen, in Chiffon gehüllt; das weiche, zum Streicheln 
Lockende steigert noch der große, flache, im tief herabgesenkten Arrn zum Schoß ge- 
streckte PelzmuiT.
	        
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