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Es würde zu weit führen, auf die volkstümlichen Grundlagen der roma-
nischen Kunst hier des näheren einzugehen. Wir können auch um so eher
darauf verzichten, als wir uns in nächster Zeit aus anderen Gründen mit
dieser Frage näher beschäftigen müssen.
Es genüge hier die Feststellung, daß die sogenannte romanische, die
byzantinische und die orientalische Kunst des frühen Mittelalters trotz
unverkennbarer Unterschiede in ihren höchsten Stufen in den untersten
Schichten einander sehr nahe
liegen oder vielmehr eine gemein-
same Unterschicht haben, so-
wohl was das schaffende Volks-
empfinden als die überkommene
Formenwelt betrifft. Diese For-
menwelt stellt wie die ganze von
der späten Antike überlieferte
Kultur eine Mischung griechisch-
römischer, vorderasiatischer und
anderer Elemente dar, eine Mi-
schung, die dadurch ermöglicht
worden ist, daß jedes der Kultur-
elemente nicht in seiner höchsten,
individuellsten, eigenartigsten Er-
scheinung, sondern in einer ver-
einfachten, ausgeglichenen, des
Besonderen oft beraubten Ge-
stalt in die Mischung eintrat. Es
konnte sich so eine echte breite
Volkskunst entwickeln und man
begreift, daß ihre Formen dem
Volksgemüte durchjahrhunderte
wesensverwandt erschienen.
Wenn man die auf Seite 167
Ausstellung schwedischer Volkskunst im Österreichischen wiedergegebene tapisserie(go-
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1812 (Nordisches Museum in Stockholm) Insbesondere In den kTä-ftlgeü
Farben des Originals, so kann
man wohl einen Augenblick glauben, eine romanische oder frühgotische
Arbeit des XII. bis XIII. Jahrhunderts vor sich zu haben. Sowohl die Haupt-
gliederung als die Tierfiguren als auch die geometrischen Musterungen
scheinen ganz dazu zu stimmen. Und dann gewahrt man plötzlich die jahres-
zahl - 1753 (an der rechten Schmalseite).
Einen ganz mittelalterlichen Eindruck macht auch der auf Seite 169
wiedergegebene (bräunlich und grün gewebte) Behang, der Doppeladler
in uralter -- oder, sagen wir richtiger, in außerzeitlicher - Stilisierung und