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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 4)

AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN S0 VON 
LUDWIG HEVESI-WIEN 5th 
KÜNSTLERI-IAUS. Am 13. März ist die XXXVJahresausstellung der Künstler- 
genossenschaft von Seiner Majestät eröffnet worden. Sie ist interessanter als die 
vorjährige und bietet willkommene Überraschungen. Ein junger Name tritt mit ihr in den 
Vordergrund unserer Hoffnungen: Josef Jungwirth. Er malte im Auftrag des niederöster- 
reichischen Landesausschusses das ungewöhnlich große Bild: „Eine Sitzung des nieder- 
österreichischen Landtages, 1908" mit gegen x20 Figuren. Sie sind sämtlich nach der 
Natur gemalt, was die zahlreichen mitausgestellten kleinen Porträtstudien bezeugen, die 
von Leben strotzen. Die Szene ist während einer Rede Dr. Luegers gedacht, der Anteil 
der Zuhörer mannigfach ausgedrückt. Besonders lebendig treten hervor: Prinz Alois Liech- 
tenstein, Dr. Weiskirchner. Dr. Marchet, Dr. Geßmann, Bischof Rößler von St. Pölten, 
Graf Braida, Dr. Pattai, Dr. Medinger, Herr Rienößl und noch andre. Die Beleuchtung ist 
doppelt: linksher kaltes Fensterlicht eines Wintertages, rechts die warme Helligkeit der 
elektrischen Kronleuchter, und überdies leuchten auf der Galerie elf grüne Lampenschirrne. 
Das Spiel von Reflexen und Auflösungen ist also sehr lebhaft und gibt der Szene eine 
Illusion von Bewegtheit, aber keineswegs Unruhe. Auch die Anordnung der Köpfe, die 
sonst wie Briefmarken reihenweise aufgeklebt zu sein pHegten, ist eine feinere. Sie gehen 
in einer sacht geschwungenen Empfindungslinie quer durch das Bild und klingen etwas 
höher in einer zweiten, auf der Galerie, gedämpfte!" nach. An unterbrechenden Zufällig- 
keiten fehlt es nicht, die Szene hat nichts Gestelltes, sondern ergibt sich ungezwungen. 
Die Malweise ist frisch und kräftig, nicht spießig und nicht glatt, es wollen keine Atelier- 
witze gemacht werden; dabei trägt sie doch unverkennbar den Stempel von heute. Viel 
Aufmerksamkeit erregt eine Reihe von Bildnissen,zumTeil von zeitgeschichtlichem Interesse. 
Voran Viktor Stauifers lebensgroßes Kniestück des Deutschen Kaisers, als dessen Geschenk 
an den Grafen Hans Wilczek, dessen Gast er auf Kreuzenstein gewesen. Dort soll auch 
das bedeutsame Bild seine Stätte finden. Kaiser Wilhelm trägt über der weißen Garde-du- 
Corps-Uniform den hellroten Samtmantel des Schwarzen Adlerordens, der die ganze 
Gestalt umHießt. Den Kopf deckt der silberblinkende Adlerhelm, die Hände ruhen auf der 
Kuppel des Pallasch. Das Antlitz ist leicht nach rechts gewendet und bei vollkommener 
Ähnlichkeit (die letzten Sitzungen fanden in Wilhelmshöhe statt) von kräftiger, leicht ge- 
bräunter Farbe, wie er sie damals hatte. Dieser lebensvolle Tonwert des Teints ist um so 
verdienstlicher, als die Masse brillanten Rots daneben ihn leicht übertönen konnte. Auch 
die natürliche, ungekünstelte Haltung der Figur fällt günstig auf; sie hebt sich von einer 
neutral dunklen Wand mit Säule und schmalem Ausblick leuchtend ab. Ein andres 
Bildnis von Bedeutung ist das des regierenden Fürsten Johann von und zu Liechtenstein 
"von john Q. Adams. Der Fürst sitzt im Frackanzug, das goldene Vließ auf der weißen 
Hemdbrust, in dämmerigem Gemach, in das bloß hinten links ein schwaches Fensterlicht 
einfällt. Gedärnpftes Rot der Möbelstoife fügt sich weich in die ernste, ruhige Tonfolge 
eines Gemäldes, das die Hauptsache durch nichts beirren läßt. Vorzüglich ist das üeftonige, 
die Farbe der Gesundheit tragende Antlitz, das ein leichtmelierter Vollbart umrahmt. Eine 
leichte Kopfneigung gibt ihm etwas besonders Leutseliges. Noch zwei Porträte von Adams 
sind sehr beachtet. Das eine stellt die Sängerin Fräulein Selma Kurz dar, in schwarzer 
Toilette vor schwarzem Klavier stehend, ganz im Sinne einer brünetten Pikanterie gegeben 
und von einer hübschen Salonmelancholie angehaucht. Das andere Bild ist eine ganze Szene 
mit fünf lebensgroßen Porträttiguren: Professor Wertheirn mit Assistenz bei einer chirur- 
gischen Operation im Bettina-Pavillon. Exstirpation eines Tumors aus der Bauchhöhle, 
blutige Sensation, nicht lieb anzuschauen; auch hat der Künstler noch hinterher ein weiteres 
weißes Linnen über einen Teil des Blutes gemalt, und zwar, da das Bild schon unter Glas 
war, kurz entschlossen auf die Glasscheibe. Vom Kitzel des Blutrünstigen abgesehen, ein
	        
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