Sprachgebiet eines der schlagendsten und der umfangreichsten Beispiele
hierfür. Widersinnige Überbauung großer Terrains hat dort des Unschönen
und Unzweckmäßigen, um nicht einen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen",
so viel geschaffen, daß die in Aussicht genommene Herstellung eines Planes,
der den Namen „Groß-Berlin" wirklich rechtfertigt, in hundert und aber-
hundert Punkten mit unverzeihlichen Sünden zu kämpfen haben wird,
begangen und gut geheißen unter der Aufsicht von Gesetzeswächtern in
nicht weit zurückliegenden Zeiten, vielleicht auch heute noch nicht unter-
bunden. Darüber helfen selbst wohlwollende Verschönerungsbestrebungen,
wie sie sich im neuen Dome, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, in
der Siegesallee, dem Rolands-Brunnen und andern Schöpfungen gleicher
Richtung kundgeben, nicht hinweg. Wo wichtige große Forderungen über-
sehen wurden, helfen kleine Nachtragskreditbewilligungen von zweifelhafter
Güte nicht aus, vorhandene Blößen weit wichtigerer Art zu decken. - Berlin
hatDeutschland zwar den Siegeszug der Mietskaserne und damit die rasche
Schaffung großer Vermögen, die nicht aufs Konto geleisteter Arbeit, sondern
ausschließlich auf das der rapiden Bevölkerungsvermehrung zu schreiben
sind, bescheert, gleichzeitig aber auch die abschreckendsten, nicht mehr
korrigierbaren Beispiele neuzeitlichen Städtebaues und deren verderbliche
Fernwirkung. Vermöge des Ansehens, welches die Anordnungen einer
Reichshauptstadt genießen, mögen sie noch so unzweckmäßig, ästhetisch
noch so verwerflich sein, wurden Verkehrtheiten in größter Zahl weit hinaus
getragen, von Kommune zu Kommune übergeimpft. Die sonst nicht leicht
versagende kritische Ader der Berliner reagierte diesen dimensional nicht
gerade kleinen Verfehlungen gegenüber erst, nachdem es zu spät war. Das
nämliche trifft fast überall zu. Es war ganz einfach, als sei die Welt der
baulich Gebietenden mit Blindheit geschlagen.
Den ersten kräftigen Anstoß zu einer, aller Oberflächlichkeit baren, wirklich
ernst gearteten Lösung der immer mehr an Wichtigkeit gewinnenden Sache
des Städtebaues gab Süddeutschland. Er kam von Wien. Camillo Sittes Name
wird für immer mit der Wiederbelebung aller, den Städtebau als soziales und
künstlerisches Problem betreffenden Fragen in erster Linie genannt werden.
Er hat den Stein ins Rollen gebracht. Was er zuerst und allein erstrebt,
dafür sind heute, wenige jahre nach seinem Tode, an mehr als einer tech-
nischen Hochschule Lehrstühle errichtet.
Merkwürdig ist, daß England, dessen EinHuß auf dem Gebiet des
Kunstgewerbes für den Kontinent von höchster Bedeutung wurde, des
"i Man wird vielfach unwillkürlich an Morris Ausspruch (Die Aussichten der Architektur in der Zivili-
sation) über London erinnert: „Wir befinden uns hier in der reichsten Stadt des reichsten Landes des reichsten
Zeitalters der Welt. Kein Luxus vergangener Zeiten kann mit unserem Luxus verglichen werden. Und dennoch
müssen Sie, wenn Sie sich von Ihrer zur Gewohnheit gewordenen Blindheit freimachten, gestehen, daß es kein
Verbrechen gegen die Kunst, nichts l-läßliches, nichts Gemeines gibt, an denen nicht die modernen Köten
(Häuser der Armen) in Bethnal Green genau ebenso teil hätten wie die modernen Paläste im Westend. Und wenn
Sie diese Lage der Dinge ernsthaft prüften, würden Sie nicht darüber klagen, sondern froh darüber sein. Und
wenn Sie an einem bemerkenswerten Exemplar der erwähnten Paläste vorbeigingen, in der Tat frohlocken
und sagen: „Dies ist alles, was Luxus und Geld zur Verfeinerung des Lebens tun können."