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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 5)

Malwerk ist das Bild ganz meisterhaft; technischer Witz, ornamentale Phantasie, höchste 
Delikatesse in der Behandlung des Fleischtons, ein zärtlicher Schmelz des Lichts und 
Helldunkels zeichnen es aus. Ganz hervorragend ist ferner seine Landschaft: „Das Wasser- 
schloß" und in seiner Einfachheit ergreifend das Brustbild einer schwarzumhüllten Greisin. 
Die modernen Pariser sind recht zahlreich eingetroffen. Nebenweniger wichtigen Sächelchen, 
meist Studien der hier schon bekannten Gruppe von „Nachimpressionisten" (Vuillard, 
Bonnard, Vollard und andre) sieht man hauptsächlich die Gefolgschaft Cezannes und 
Gauguins. Von Cezanne haben sie alle das Synthetische, das Sehen und Schaffen in großen, 
bestimmten, wenn auch oft harten, ja rohen Einfachheiten. Der Drang zum Stil war stärker 
als alle lyrischen Verführungen der Eindrucksmalerei. Von Gauguin aber nehmen die 
Manguin, Guerin, Puy ihre kühne, starke, oft unvorhergesehene Farbe. Und von beiden ihr 
rücksichtsloses, oft ins Unappetitliche fallendes, aber durch ihre Draufgängerei, wenn sie 
sich nicht ganz verhauen, fortreißendes Handwerk. Der große Akt einer schlafenden Frau 
von Henri Manguin ist ein Kapitalstück der Fleischmalerei, wie sie die Exotik Gauguins 
geweckt hat. Der ereignisreiche Fleischton, tiefgegriffen und leidenschaftlich bewegt in 
seiner Schwebung. Ein analoger weiblicher Akt von Valloton zeigt, wie selbst eine ganz 
gegensätzliche Natur diesen Einflüssen unterliegt. Valloton malt eine Art Manetscher 
Olympia, wie ein Ingres-Schüler, der durch die Japaner und das moderne Plakat hindurch- 
gegangen ist. Formkenntnis, glatte Plastik und dabei ein breit anlegender Flächenstil, aber 
mit pikanten Modernheiten pointiert. Für Wien neu sind Gueriri und Puy; der weibliche 
Akt des ersteren ist eines der frischesten Bilder der Ausstellung. Und neu auch l-Ienri 
Matisse, der heute in Paris alles in Atem hält. Ein Stürmer und Dränger, er weiß selbst 
nicht wohin, einer, der alles gelernt hat und massenhaft kann, der aber alles zum Fenster 
hinauszuwerfen scheint, wenn es ihm auf einen neuen Bluff ankommt. Ein Musterknabe, 
den der Teufel geholt hat. Hier sieht man freilich nur zwei kleine Bilder von ihm, einen 
sitzenden Frauenakt (darin ist er anerkannter Meister), von wuchtig hingestrichener 
Tonigkeit und eine grobe Landschaft, deren koloristisches Motiv doch eine sonderbare 
Feinheit erkennen läßt. Köstlich ist wieder Maurice Denis, namentlich in seiner alle Feuer 
spielenden Herbstidylle. An diesem Bild könnte man dem Unerfahrenen trefflich den 
modernen Stilismus demonstrieren. Übrigens ist in der Ausstellung auch ein Zimmer voll 
van Gogh, mit einem Gauguin mittendrin; da hört man die Quellen rauschen. Die Bilder 
waren früher einmal bei Miethke ausgestellt, aber man sieht sie mit Nutzen und Genuß 
wieder. Die Darstellbarkeit der elementaren Vibration alles Sichtbaren hat man früher 
nicht geahnt. Einer ahnte sie, freilich in parodistischem Scherz: Wilhelm Busch. Auf 
seinem Globus von Philisterland kam auch das vor. 
Mehrere Zimmer enthalten Einzelausstellungen von Bedeutung. Ein ganzer Saal ist 
Olbrichs Nachlaß, dessen Reichtum aber gar nicht ganz unterzubringen war. Ein ganz 
erstaunliches Quellen von Fruchtbarkeit und österreichischem Schick. Seine Freunde haben 
ausgerechnet, daß der mit vierzig Jahren Verstorbene an jedem Tag seiner zwanzig Arbeits- 
jahre acht solche Blätter gezeichnet haben muß. Er war eine unversiegliche Naturkraft. 
Ein Zimmer ist voll George Minne; neben Marmorsachen auch etwas Unbekanntes, eine 
ganze Reihe hocheigentümlicher, sehr ausgeführter Bleistiftzeichnungen, die ihren eigenen 
Akt- und Draperiestil haben. Ein Zimmer soll noch mit Toorop gefüllt werden. Eine 
Galerie ist mit Bleistift- und Tuschezeichnungen des Münchners Max Mayrshofer behängt. 
Eine Miethkesche Bekanntschaft, die aber erst jetzt bekannt werden wird. Ein waschechtes 
Zeichentemperament, nach zwei Seiten hin: links der weibliche Akt, rechts der Proletarier 
und Clown, beide Sorten mit einer schneidenden Originalität, einem mörderischen Humor 
behandelt. Auch bedeutende Plastik hat sich zusammengefunden. Max Klingers kolossaler, 
niederbrechender Bronzeathlet hat das volle persönliche Leben allerKlingeriana; dabei sieht 
er schon fast historisch aus, wenn man nebenan die Stilplastik von heute sieht, die Metz- 
nerschen Reiter in ihrer abstrakten Größe und Lederers gewaltige Sockeliiguren von 
Bismarck und Krupp oder den reitenden St. Georg von der Fassade des Museums zu
	        
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