Malwerk ist das Bild ganz meisterhaft; technischer Witz, ornamentale Phantasie, höchste
Delikatesse in der Behandlung des Fleischtons, ein zärtlicher Schmelz des Lichts und
Helldunkels zeichnen es aus. Ganz hervorragend ist ferner seine Landschaft: „Das Wasser-
schloß" und in seiner Einfachheit ergreifend das Brustbild einer schwarzumhüllten Greisin.
Die modernen Pariser sind recht zahlreich eingetroffen. Nebenweniger wichtigen Sächelchen,
meist Studien der hier schon bekannten Gruppe von „Nachimpressionisten" (Vuillard,
Bonnard, Vollard und andre) sieht man hauptsächlich die Gefolgschaft Cezannes und
Gauguins. Von Cezanne haben sie alle das Synthetische, das Sehen und Schaffen in großen,
bestimmten, wenn auch oft harten, ja rohen Einfachheiten. Der Drang zum Stil war stärker
als alle lyrischen Verführungen der Eindrucksmalerei. Von Gauguin aber nehmen die
Manguin, Guerin, Puy ihre kühne, starke, oft unvorhergesehene Farbe. Und von beiden ihr
rücksichtsloses, oft ins Unappetitliche fallendes, aber durch ihre Draufgängerei, wenn sie
sich nicht ganz verhauen, fortreißendes Handwerk. Der große Akt einer schlafenden Frau
von Henri Manguin ist ein Kapitalstück der Fleischmalerei, wie sie die Exotik Gauguins
geweckt hat. Der ereignisreiche Fleischton, tiefgegriffen und leidenschaftlich bewegt in
seiner Schwebung. Ein analoger weiblicher Akt von Valloton zeigt, wie selbst eine ganz
gegensätzliche Natur diesen Einflüssen unterliegt. Valloton malt eine Art Manetscher
Olympia, wie ein Ingres-Schüler, der durch die Japaner und das moderne Plakat hindurch-
gegangen ist. Formkenntnis, glatte Plastik und dabei ein breit anlegender Flächenstil, aber
mit pikanten Modernheiten pointiert. Für Wien neu sind Gueriri und Puy; der weibliche
Akt des ersteren ist eines der frischesten Bilder der Ausstellung. Und neu auch l-Ienri
Matisse, der heute in Paris alles in Atem hält. Ein Stürmer und Dränger, er weiß selbst
nicht wohin, einer, der alles gelernt hat und massenhaft kann, der aber alles zum Fenster
hinauszuwerfen scheint, wenn es ihm auf einen neuen Bluff ankommt. Ein Musterknabe,
den der Teufel geholt hat. Hier sieht man freilich nur zwei kleine Bilder von ihm, einen
sitzenden Frauenakt (darin ist er anerkannter Meister), von wuchtig hingestrichener
Tonigkeit und eine grobe Landschaft, deren koloristisches Motiv doch eine sonderbare
Feinheit erkennen läßt. Köstlich ist wieder Maurice Denis, namentlich in seiner alle Feuer
spielenden Herbstidylle. An diesem Bild könnte man dem Unerfahrenen trefflich den
modernen Stilismus demonstrieren. Übrigens ist in der Ausstellung auch ein Zimmer voll
van Gogh, mit einem Gauguin mittendrin; da hört man die Quellen rauschen. Die Bilder
waren früher einmal bei Miethke ausgestellt, aber man sieht sie mit Nutzen und Genuß
wieder. Die Darstellbarkeit der elementaren Vibration alles Sichtbaren hat man früher
nicht geahnt. Einer ahnte sie, freilich in parodistischem Scherz: Wilhelm Busch. Auf
seinem Globus von Philisterland kam auch das vor.
Mehrere Zimmer enthalten Einzelausstellungen von Bedeutung. Ein ganzer Saal ist
Olbrichs Nachlaß, dessen Reichtum aber gar nicht ganz unterzubringen war. Ein ganz
erstaunliches Quellen von Fruchtbarkeit und österreichischem Schick. Seine Freunde haben
ausgerechnet, daß der mit vierzig Jahren Verstorbene an jedem Tag seiner zwanzig Arbeits-
jahre acht solche Blätter gezeichnet haben muß. Er war eine unversiegliche Naturkraft.
Ein Zimmer ist voll George Minne; neben Marmorsachen auch etwas Unbekanntes, eine
ganze Reihe hocheigentümlicher, sehr ausgeführter Bleistiftzeichnungen, die ihren eigenen
Akt- und Draperiestil haben. Ein Zimmer soll noch mit Toorop gefüllt werden. Eine
Galerie ist mit Bleistift- und Tuschezeichnungen des Münchners Max Mayrshofer behängt.
Eine Miethkesche Bekanntschaft, die aber erst jetzt bekannt werden wird. Ein waschechtes
Zeichentemperament, nach zwei Seiten hin: links der weibliche Akt, rechts der Proletarier
und Clown, beide Sorten mit einer schneidenden Originalität, einem mörderischen Humor
behandelt. Auch bedeutende Plastik hat sich zusammengefunden. Max Klingers kolossaler,
niederbrechender Bronzeathlet hat das volle persönliche Leben allerKlingeriana; dabei sieht
er schon fast historisch aus, wenn man nebenan die Stilplastik von heute sieht, die Metz-
nerschen Reiter in ihrer abstrakten Größe und Lederers gewaltige Sockeliiguren von
Bismarck und Krupp oder den reitenden St. Georg von der Fassade des Museums zu