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Münster in Westfalen. Unsere Zeit hat diese Maßstäbe wieder ausgegraben und sich dazu
ein Auge gemacht, mit einer entsprechenden Anschauung. Von Klinger ist auch die
gewaltige Franz Liszt-Büste da in Marmor; die hat freilich den Liszt-Stil. Kleine Stilplastik
findet man reichlich von B. I-Iötger, der zu der Pariser Gruppe Maillols gehört, zu den
Archaikern und Buddhisten; dann von W. Barlach (Berlin), der in seinen kleinen plumpen
Genreiiguren slawische Folklore zu verkneten weiß. Selbst die Tiere von August Gaul
(Berlin) haben bei all ihrer Lebenswahrheit schon zum Teil ihren Einschlag von Stil weg-
bekommen. Ein geschätzter Gast ist ferner Josef Wackerle (München), dessen Nymphen-
burger Porzellanfiguren schon eine Spezialität geworden sind.lm Keramischen fehlt natürlich
auch unser Berthold Löffler nicht, wie in Mosaiks L. Forstner in der Wiener Mosaik-
werkstätte, die sich so urwüchsig fort-
entwickelt. Von den deutschen Neu-
meistern sieht man mehrere stark ver- F
treten, ohne viel Neues zu sehen. Lieber-
mann und Trübner führen noch immer. W
Slevogt tritt zurück, trotz starker Allüren ä 41mm
eines weiblichen Rückenaktes, der in 1
französischer Nachbarschaft erdig und
kommun wird. Corinth in der großen
„Totenklage" mischt Gut und Schlecht;
in einer Landschaft ist er unerwartet
stark. Graf Kalkreuth (Hamburger Pa-
trizierin) ist gewachsen; man wird
übrigens an Trübner erinnert. Karl
Walser ist mit Witz neu. Th. Th. Heine
gibt eine Karte ab. Auch aus der Schweiz
sieht man einiges; Amiet ist stärker ge-
worden, die große „Muritat" von Max
Buri ist eine scharfe Humoreske, doch
mit gewissen Freskoansprüchen. Die
Wiener Maler halten sich mehr im
Hintergrund. Die Interieurs von Karl
Moll haben ihre Virtuosität, ein großes
Frauenbild von Blauensteiner ist ein
gültiger Farbenversuch, noch viel weiter
geht aber Hans Böhlers großes Bild:
„Kritik", das durch grüne und blaue
Gläser gesehen ist. Auchentaller, Legler,
Püllßk-Käflln. List, Bfelthllt, B- Pillen, Prunkvase mit ldeallandscbaften von Brüning
v. Rziha, Fanny Harlfinger-Zakucka, der
Wildling Kokoschka (dessen Robinsonaden viel Beifall finden) und noch andere, auch
etliche Damen, wären in Betracht zu ziehen. I-lochinteressant ist eine Reihe moderner
szenischer Entwürfe, meist in Berlin ausgeführt, von L. v. Hofmann, Czeschka (besonders
originell), Orlik, Munch, Walser. Man hat den Eindruck von neuem Leben, das auf ganz
alten Ruinen erwachsen ist. Selbst die lebende Architektur geht nicht leer aus. Man sieht
sogar ein liebenswürdiges neues Landhaus von Otto Wagner und eine Menge Abbildungen
von modernen englischen Neubauten. London ist übrigens auch kunstgewerblich gut ver-
treten (Ashbee Schmuck, Bucheinbände) und eine Menge Graphik von Londoner Meistern
füllt weitere Wände. Das Wiener Kunstgewerbe steht etwas zurück, obgleich ganz hübsche
Sachen zu sehen sind. Hervorragend ist Josef Hoffmanns mannigfaches Silberzeug mit
Malachiteinlagen. Im ganzen also eine Ausstellung, die zwar aus dem Stegreif entstanden ist,
aber die Besichtigung reichlich lohnt und selbst dem Wiener Stammgast viel Neues bringt.