LTVVIENER SYJTJCEN BILDER. In der Galerie lvliethke hatte man das Privat-
vergnügen, fünfzig Bilder dieser Art aus Privatbesitz ausgestellt zu sehen. Altwien
von der gemütlichen Seite: Schwind, Waldmüller, Danhauser, Ranftl, Fendi, Karl und
Albert Schindler, Treml, Ed. Ritter, Wilhelm Richter, Mansfeld, Swoboda, joh. N. Mayer.
Vieles war ja schon früher bekannt, aber das Ensemble gab doch ein Zeitbild von seltenem
Vollklang, an dem man sich in unserer verworrenen Kunstepoche erquickte, schon weil
es jenseits von Gut und Böse ist. Von Schwind sah man die reizende „Landpartie", aus der
Atzenbrugger Gegend; sie ist aus dem Erbe des Frl. Franziska von Wertheimstein an
Frau Karoline von Gomperz-Bettelheim übergegangen. Ferner den großen „Spaziergang"
(Besitz des Herrn Eisenbahnministers Wrba), wo links im Vordergrund Schwind selbst
zeichnend sitzt und im Volksgewühl auch der kleine Schubert im hohen Zylinder erscheint.
Von Waldmüller kam eine ganze Reihe zum Vorschein, meist brillante Sonnenschein-
bilder, die uns heute besonders nahe gehen. Welche ganz ausgetüftelte Mittel er schon
anwandte, um die Pointierung der Umrisse durch knisternde Glanzlichterchen recht effekt-
voll zu machen, dafür ist die „Heimkehr von der Trauung" (1864, Besitzer: Max Fischer)
ein klassisches Beispiel, vielmehr ein unklassisches, weil es schon zum Kuriosum wird.
Eines der strahlendsten Sonnenscheinbilder ist „Der Kuß" (r858). Eines der gediegensten
Massenbilder der „Petersdorfer Kirchtag" (Frau Stiift). Im „Versehgang" (i846, Graf
Siegfried Wimpffen) zeigt die prächtige Kindergruppe deutliche Galerieeinilüsse. Die
große „Heimkehr vorn Kirchtag" (1856, Frau Hellmann) vereinigt Kraft und ' Maß in
seltenem Grad. Unter den Bildern Danhausers sah man die Kuriosität: „Napoleon bei
der Wahrsagerin" und das Kapitalstück: „Liszt am Klavier" (Frau Dr. Schaub). Er malte
diese Szene im Auftrag des Wiener Klaviermachers Konrad Graf, der ihn dazu r84o nach
Paris schickte. Viktor Hugo, Georges Sand (in Männerkleidern), Rossini, Paganini, Dumas,
die Gräfin d'Agoult sind die Zuhörer, alle nach der Natur porträtiert; an der Wand hängt
Byrons Brustbild, auf dem gelben Kirschholzklavier steht Beethovens Büste, und draußen
bricht ein Gewitter los. In Paris würde das jedenfalls an einem Ehrenplatz im Louvre
hängen. Den elegantesten Zeitstil hat „Die Verlassene", die mit ihrem nackten Baby am
stürmenden Meer sitzt. Es ist der appetitliche Jammer, wie man ihn in der Almanachzeit
gern sehen mochte. So ist auch Fendis „Ofiizierswitwe" in ihrer elenden Dachkammer;
ein Meisterbildchen übrigens, das im Schatten der Mutter schlafende Kind darin eine
Delikatesse. Selbst das Militär wurde damals so putzig behandelt; mit einer spezifischen
Putzigkeit, weil vorschriftmäßiger Geputztheit, zum Beispiel alles zu den Uniformen
gehörige in Wilhelm Richters „Soldatenszei-ie". Wie so ein glanzlederner Riemen aussieht
oder eine Kokarde am Tschako. Da findet der schärfste Leutnant nichts auszusetzen. Von
einem der hübschesten Bildchen Danhausers: „Am Klavier" wäre eine jetzt im Besitz der
Kunsthandlung I-lirschler befindliche Wiederholung, in größerem Maßstab, zu signalisieren.
Einige dieser Vormärzbilder zeigen ihre Urheber in besonders guter Form. So Karl
Schindlers „Überfall durch Banditen" (Graf Wimpffen), eine richtige Opemszene übrigens,
mit großer Eleganz ausgeführt; dann die „Stürmische Überfahrt" von Ed. Ritter.
ESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST. Im Kunstsalon
Hugo Heller veranstaltete die Gesellschaft eine Ausstellung ihrer Leistungen, natürlich
in knapper Auswahl, die einen großen künstlerischen, aber auch materiellen Erfolg hatte. An
den ausgestellten Blättern konnte man den gewaltigen Umschwung erkennen, den der Begriff
„Graphik" seit 1872, dem Ursprungsjahr der Gesellschaft, erlebt hat. Ein andrer Verein
wäre vielleicht von solchem Erdbeben in seinen Grundlagen zugrunde gegangen, diese
Gesellschaft hat sich mit ihrer Zeit immer wieder verjüngt. Als die „reproduktive" Kunst
produktiv wurde und ein neues Geschlecht von Originalgraphikern aus dem Boden stieg,
war die Gesellschaft dem Ereignis sofort gewachsen. Sie hatte den modernen Geist und
eroberte sich mit erstaunlicher Schnelligkeit, aber auch Zielbewußtheit und Folgerichtig-
keit das ganze Bereich der modernen Originalgraphik, wie der reproduzierenden Techniken.