AMERIKANISCHE KUNSTAUSSTELLUNGEN
DER SAISON 1908 BIS 1909 Sh VON KLARA
RUGE-EWYORK S0-
NSERE letzte Kunstsaison war ziemlich lebhaft.
Es gab eine Menge Ausstellungen, die auch in-
teressante Werke brachten, den Künstlern aber
materiell wenig nutzten. Die meisten bekamen
die wirtschaftliche Krise, die im Herbst 1907 be-
gonnen hatte, noch recht unangenehm zu spüren.
So mancher Reiche, der früher gerne Kunstwerke
kaufte, schien sie nun für einen entbehrlichen
Luxus zu halten. Es blieb deshalb vielen Künst-
lern nichts anderes übrig, als sich mit der Aner-
kennung der Kritik zu begnügen. Nur einem Maler, der gewissermaßen zur
Sensation der Saison wurde, war der Dollarsegen im reichsten Maße zuteil
geworden. Dieser Glückliche war der Spanier Sorolla. Er hatte in den
Räumen des spanischen Museums in Newyork 400 Bilder ausgestellt, die er
alle verkaufte. Damit war aber sein Glück noch nicht zu Ende. Er war so
schnell in Mode gekommen, daß es für viele unserer Millionäre einfach zum
guten Ton gehörte, sich von Sorolla malen zu lassen. So erhielt er denn noch
eine beträchtliche Zahl von Porträtbestellungen. Auch William Taft, der
Präsident der Vereinigten Staaten, ließ sich von Sorolla malen.
Des Spaniers sonnige Freilichtkunst mit ihrer treffenden, keck virtuosen
Technik ist gewiß bewunderungswürdig. Ich möchte ihn aber als Künstler
doch nicht so hoch über die meisten inländischen und ausländischen Maler
stellen, wie es hier ernst zu nehmende Kritiker getan haben. Sorolla hatte
aber zweifellos einen Erfolg, wie ihn so durchschlagend noch kein Künstler
erlebt hat. Selbst Tageszeitungen, die sich sonst wenig um die Malerei
kümmern, brachten nicht nur Berichte, sondern selbst Leitartikel über den
Spanier. Und das abgelegene Museum war während der ganzen Ausstellungs-
zeit von Besuchern überfüllt. Sonst werden die üblichen Ausstellungen vom
großen Publikum gemieden.
Sorolla ist sicher ein starker Könner, zum großen Künstler aber fehlen
ihm Ideen und die gestaltende Phantasie. Das Motiv der meisten Bilder war
die Jugend, die an der spanischen Küste badete oder sich am Strande sonnte.
Die große Zahl seiner Gemälde, darunter auch Porträte, imponierte
gerade so wie seine Freilichtkunst. Das fast gleiche Motiv der Landschaften
war sogar mit ein Grund, daß sie sich leichter verkauften. Man verlangt
hier leider in kaufkräftigen Kreisen immer mehr, daß die Künstler das Motiv,
durch das sie bekannt wurden, mit geringen Variationen beibehalten. So
kommt es, daß wir heute unseren Wüsten-, Schnee-, Föhren-, Neger-Wahr-
sagerinnen-, Schuhputzermaler und noch manchen anderen „Spezialisten"
haben. Es ist eine ähnliche Erscheinung wie bei den Virtuosen der Bühne,