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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1865 / 1)

mit einer Rille höchst reizender und eleganter Glasformen, insbesondere 
Hir Trinkgetässe, versehen, die der Nachahmung würdig sind und gewiss 
auch zur Regeneration dieses Kunstzweiges beitragen werden, aber ihr 
Reichthum ist bei alledem aus einem besonderen Grunde nicht genügend. 
Alle diese venetianischen Getiisse nämlich bestehen ans einem feinen dünnen 
Glase, dessen Zartheit und Zierlichkeit ihren Hauptreiz und Hanptwerth 
bildet. Als Schmuck- und Ziergefasse und überhaupt für den feineren Ge- 
schmack sind sie darum wohl in ausgezeichneter Weise verwendbar und 
lassen sich auch auf blos geblasene Gläser für den gewöhnlichen Gebrauch 
leicht übertragen, aber wir lieben heute daneben, und mit vollem Rechte, 
das farbige Lichterspiel des geschlitienen Krysmllglases, welches Flächen 
und Kanten bildet, und dafür hat die venetianische Kunst keine Beispiele 
hinterlassen. 
Vergebens betragen wir auch hierfür die griechische Gefasskunst, deren 
Formen auf die dickere, undurchsichtige Thonmasse berechnet sind und 
deren specielle Trinkgetiisse schon aus anderen Gründen für den modernen 
Gebrauch unpassend sind, zumal ja auch sie keine ebenen Flächen dar- 
bieten. Noch weniger kann uns die Goldschmiedekunst irgend einer Zeit 
bieten, da die Gefasse, welche sie etwa denen der Glasfabrication nach 
dem Zwecke analog schuf, auf ein ganz anderes Kunstpxincip ihre ästhe- 
tische Wirkung begründen. Man kann uns endlich auf die geschliffenen 
Krystallglasgefasse des vorigen Jahrhunderts verweisen, und wir müssen 
zugestehen, dass sie immer noch den heutigen Arbeiten vorzuziehen sind, 
aber sie haben schon aus einer anderen Quelle geschöpli und sind ver- 
steiR in ihren Formen, so dass sie unserem heutigen wiedererwachten ästhe- 
tischen Bedilrfniss wenigstens nicht mehr genügend sind. 
Doch wir haben eine andere sehr vorzügliche und naheliegende Quelle, 
die wirklichen Krystallgefasse selber, aber leider Hiesst diese Quelle äusserst 
spärlich und ist nur in seltenen Fällen dem Fabrikanten zugänglich. Da, 
grosse Stücke dieses Minerals, welche Für Geiässe ausreichend wären, keines- 
wegs häutig und heute so gut wie gar nicht aufgefunden werden, so liegt 
es in der Natur der Sache, dass Krystallgefasse sehr selten sind und ausser- 
ordentlich theuer bezahlt werden, umsomehr, als sich die Liebhaberei un- 
serer Tage wieder in erhöhtem Masse darauf geworfen hat. Dazu kommt, 
dass die besten davon sich meist in ererbtem fürstlichen Besitze befinden 
und in den Schatzkammern höchstens dem Anblick weniger Touristen zu- 
gänglich sind. 
Das ist umsomehr zu bedauern, als gerade die europäischen Krystall- 
getässe durchweg von grosser Schönheit zu sein pflegen. Denn obwohl 
sie das ganze Mittelalter hindurch beliebt waren und namentlich schon in 
früher Zeit der Orient dergleichen nach Europa hereinsandte, wuchs doch 
das Wohlgefallen an ihnen erst recht mit der Blüthezeit der Goldschmiede- 
kunst am Ende des 15. und das ganze 16. Jahrhundert hindurch, während 
es später gleichzeitig mit dem Verfalle eines edleren Stils wegen der aus- 
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