dahin gekommen, dass uns heute in der Goldschmiedekunst nur noch der
blanke Glanz des polirten Metalls erfreut, und dass wir, um doch Varietät
hineinzubringen, zu allerlei dummen Formen und Einfällen unsere Zuflucht
nehmen müssen.
Die neuesten reformatorischen Beweglmgen auf dem Gebiete der
Kunstindustrie richten daher mit vollem Recht wieder ihre Aufmerksamkeit
auf das theils vernachlässigte, theils vergessene Email, und wir haben bereits
Versuche gesehen, es in seinen verschiedenen Arten wieder in Aufnahme
zu bringen. Intelligentere Goldschmiede, wie z. B. Ratzersdorfer in
Wien, haben zur malerischen Verzierung von Groldschmied- und Juwelier-
arbeiten feinster Art das „durchscheinende Email" des 16. und 17. Jahr-
hunderts Die Franzosen haben ihr eigenes Limoges-Email des
16. Jahrhunderts, das Maleremail, wieder aufgenommen und in Weise der
Limosiner Künstler Gefasse mit {igurenreichem Schmuck hergestellt, die
ohne Frage als gelungen zu betrachten sind. In beiden Fällen ist es aber
im Grunde bei der Imitation geblieben, wozu noch kommt, dass die Ge-
fässe der letzteren Art reine Ziergefasse sind, da ihre Weise eine höchst
delicate, leicht zerbrechliche ist.
Am folgenreichsten und praktischsten zugleich hat sich bis jetzt die
Wiederaufnahme des s. g. Email champlevä oder Grubenschmelzes bei den
kirchlichen Gefassen gezeigt, und es haben diejenigen Künstler und Geist-
lichen, welche auf eine Reformation der kirchlichen Getässknnst und Para-
mentik nach mittelalterlichen Vorbildern dringen, wie überhaupt, so auch
in dieser Beziehung unleugbare Verdienste sich erworben. Es scheint aber,
als ob die Ueberuagung dieses wieder erneuerten Gmbenschmelzes auf '
Arbeiten tiir den weltlichen Gebrauch, theils allerdings in der mangelnden
Intelligenz der Goldschmiede und Bronzefabxikunten, theils in den ver-
hälmissmässig hohen Kosten der Herstellung ein Hinderniss gefunden hätten.
Diesem letzteren Umstande ist durch einen glücklichen Gedanken ab-
geholfen werden. Das Mühevolle an der bisherigen und alten Art des
Email champlevd war die Ausgrabung der Vertiefungen, welche für Auf-
nahme der Schmelzmasse bestimmt sind, durch den Grabstichel, was ins-
besondere bei Bedeckung grösserer Flächen viel Arbeit erforderte. Eine
Reihe neuester Gegenstände, welche gegenwärtig im österreichischen Mu-
seum ausgestellt sind, lehren, dass diese Arbeit des Grabstichels durch Aus-
schlagen mit der Stampiglie ersetzt werden kann. Der Vortheil, der da-
durch erreicht wird, besteht aber nicht hlos in der Ersparung dieser Ar-
beit, sondern was die Stampiglie an diesem einen Stück leistet, das kann
sie zugleich an einer beliebigen Anzahl anderer volltiihren. So ist in Wahr-
heit der malerisch-farbige Schmuck tiir die feinere Metalltechnik wieder-
gewonnen und selbst in seiner Anwendung iiir moderne Massenfabrication
verwendbar gemacht.
Die Gegenstände, welche uns zu diesen Bemerkungen Veranlassung
gegeben haben, bestehen in der s. g. Garnitur eines Schreibtisches aus ver-