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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 4)

stab im Bilde zur Anwendung gebracht werde. Ein Verstoss gegen diese perspectivischen 
Gesetze iindet sich besonders häufig in jenen Bildern, wo die einzelnen Theile nach Natur- 
stndien angefertigt werden und wobei häuiig versäumt wird, die bei den Studien voraus- 
n Annahmen nach jenen dem Bilde zu Grunde gelegten zu modiüciren. Jenen 
Künstlern aber, welche die Gesetze der Perspective richtig erfasst haben, wird es nicht 
schwer werden, die Grenzen zu begreifen, welche sie ohne Gefahr eines ästhetischen Ver- 
stosses überschreiten dürfen. 
Insbesondere muss dem Künstler überall dort gewisse Freiheit gestattet sein, wo 
es sich nicht um Vorstellung der positiven Wirklichkeit, sondern um Darstellung des syma 
bolisch Erhabonen und um Erzeugnisse der Phantasie überhaupt haudeltf; jedoch ist die Be- 
handlung in solchen Fällen auch minder naturalistisch zu halten. Ans diesen Gründen 
sind die Landschaftm, Genre- und Porträtmaler am meisten auf die strengen Anforderungen 
der perspecüvischen Wahrheit hingewiesen. 
Im weiteren Verlaufe wurde die Zeichnung des Kreises und der runden Formen be- 
handelt und wurden jene Methoden angegeben, mit deren Hilfe sich auf die einfachste Weise 
so viele Puncte desselben bestimmen lassen, als zur Zeichnung des Kreises überhaupt ge- 
eignet erscheinen. 
Diese Methode wurde sofort in ihrer Anwendung auf die Zeichnung von Gewölben 
und runden Körpern gezeigt. 
Zum Bchlusse wurde im Allgemeinen und besonders im ästhetischen Sinne der Unter- 
schied zwischen der geraden und schrägen Ansicht erläutert und wurde daran die Be- 
trachtung jener Fälle angeschlossen, in welchen bei gerader Ansicht ein Verriicken des 
Augpunctes nach einer Seite des Bildes zulässig ist, wo hingegen die schräge Ansicht zu 
wühlen sein wird. 
Bei eingehender Betrachtung des Stiches von Alb. Dürer „der h. Hieronymus in 
der Zelle" wurden die Nachtheile, welche in diesem sonst so reizenden Bildchen durch dss 
Verrücken des Augpunctes entstanden sind, nachgewiesen, und zugleich erwähnt, dass in dem 
Falle Alb. Dürer seinen Zweck durch Anwendung der schrägen Ansicht besser erreicht 
hätte, dass er aber nach dem damaligen Stand der Perspective auf die gerade Ansicht an- 
gewiesen war, da das Verfahren bei schräger Ansicht erst spiiter, insbesondere bei den 
Niederländern ausgebildet wurde. 
Nachdem bei seitwärts gerücktem Augpuncte der Sehkegel immer schräg geschnitten 
und das Bild einseitig erscheinen wird, so soll es als Regel gelten, den Augpunct wo 
möglich immer in die Mitte zu legen, das vonustellende Object hingegen so gegen die 
Bildiiliche zu drehen, wie es der Natur desselben am Besten entsprechen wird; wobei jedoch 
auf die Ausnahmen, welche ein Verrücken des Augpunctes rechtfertigen können. näher 
eingegangen wurde. 
In der siebenten Vorlesung wurde im Anschlusse an die in der vorigen Vor- 
lesung gegebenen allgemeinen Erklärungen die Zeichnungsmethoden fiir die schräge An- 
sieht angegeben. Es wurde gezeigt, wie die gesammts Lehre der Perspective bei der ge- 
raden Ansicht entwickelt werden konnte, wie alle Principien und gelehrten Methoden auch 
hier ihre Anwendung finden würden, und im Verlaufe noch jene Methoden erklärt, welche 
dadurch bedingt werden, dass die Fluchtpuncte (wenigstens einer derselben) in der Regel 
ausser die Tafel fällt. Nächst den Methoden über das Zeichnen von Pnrallellinien bei un- 
zugänglichen Fluchtpuncten wurde eingehend die Methode iiir das Zeichnen der Figuren 
selbst erörtert, welches darin besteht, dass man je nach Massgabe der Entfernung dieser 
Fluchtpuncte die zu zeichnende Figur in verkleinertem Massstabe nach dem Augpuncte 
rückt, und zwar in l, Q, oder f Theile der wirklichen Grösse. Nachdem dieses eine geo- 
metrische Production ist, so müssen die Linien der grossen Figur geometrisch parallel mit 
jenen von der verkleinerten Figur sein. 
Zum Schlusss wurde eine neue von Leeherger in München angegebene Methode 
erläutert, welche auf die beiden geometrischen Gnmdsätze basirt, dass jeder Winkel im 
Halbkreis ein rechter und dass der Centriwinkel doppelt so gross als der Peripheriewinkel 
sei. Aus diesen geomehischen Sätzen lässt sich eine Reihe praktischer Handgride für das 
perspectivische Zeichnen ableiten, welche insbesondere zur Richtigstellung von Aufnahmen 
nach der Natur vielseitige Anwendung finden und welche mit Leichtigkeit das Ansetzen 
von rechten Winkeln, das Zeichnen der Diagonalen und Gehrungslinien und das AuHinden 
der Theilpuncte ausführen helfen werden. 
Diese Methoden wurden an einigen im grossen Messstabe vorgewiesenen Zeichnungen 
mit Deutlichmacbung der Construction nachgewiesen. 
Die achte Vorlesung behandelte die Iillemeutc der Schattcnlehre. Nachdem die 
Perspective im weitesten Begriife des Wortes die Lehre von der Uebertragimg der Er. 
scheinung eines Gegenstandes auf eine Fläche ist, und nachdem die drei Momente der Er. 
schelnnng die Form, die Beleuchtung und die Farbe des Gegenstandes sind, so geht daraus 
hervor, dass die Schattenlehre sowie die Farbenlehre im innigen Zusammenhauge mit der 
Perspectivlshre selbst stehen und dass dieselben in gewisser Hinsicht als Zweige der Per-
	        
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