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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 12)

tüchtigen Leute vorn Bau, welche die englischen Gartenstädte schaffen helfen, hat den 
Augenblick benutzt, in welchem die englische Regierung den Städtebau gesetzlich regeln 
will, um seine persönlichen Anschauungen und Erfahrungen an der Hand eines reichen 
Studienmaterials zu veröffentlichen, das er für seine eigenen Bedürfnisse im Laufe mehrerer 
Jahre gesammelt hat. Er hatte auf Studienreisen und im Kontakt mit deutschen, franzö- 
sischen, amerikanischen Leistungen nicht nur das reiche historische Material desKontinents, 
sondern auch die Bestrebungen kennen gelernt, welche anderwärts bestehen, der Planung 
neuer Städte und Stadtteile, der Regulierung und Entwicklung vorhandener Städte eine 
moderne und künstlerische Grundlage zu geben. Insbesondere deutsche Mitwirkung hat 
ihn dabei unterstützt. Dann verfügt er als Engländer über heimisches gutes Material aus 
neuester Zeit. Die Gartenstadtbewegung ist ja von England ausgegangen und hat schon 
treffliche Resultate aufzuweisen, unter denen die Gartenvorstadt Hampstead dem Verfasser 
eine zahlreiche Folge von Beispielen künstlerischer Lösungen bot. 
So setzt sich der stattliche Band mit seinen zahlreichen photographischen und zeich- 
nerischen Illustrationen und den beigeschlossenen Stadtplänen aus theoretischen Betrach- 
tungen und praktischen Erörterungen zusammen, die anregend wirken. 
Unwin spricht davon, wie die Stadt als Ausdruck des städtischen Lebens zu gelten 
hat und wie ihre Individualität zu entwickeln ist. Dort, wo alte historisch begründete Plan- 
elemente bestehen, weiß er den Anregungswert des alten, ehrwürdigen Bestandes hervor- 
zuheben und warnt vor einer rüden, willkürlichen Zerstörung. Ihm ist das organische 
Wachstum das einzig Wertvolle - wie ihm Kunst keine Sache des Schmuckes oder des 
Luxus ist, sondern lediglich das Resultat gediegenen Schaffens. Sie ist überall da, wo man 
das gut leistet, was man zu leisten hat. 
Er stellt die strengen antiken Stadtpläne den mittelalterlichen gegenüber, die mehr 
unregelmäßig erscheinen; er behandelt eingehend die Frage, wo wirklich das geometrische 
Prinzip der Stadtplanung, das den Architekten zu allen Zeiten erstrebenswert schien, 
und wo das freie und unregelmäßige, dem landschaftlichen Charakter und vorhandenen 
Zufälligkeiten angepaßte Planen den Vorzug verdient. Er zieht Vergleiche mit den Gesetzen 
der Gartengestaltung, die ähnlichen Bedingungen zu gehorchen hat. 
Jene großen Schwierigkeiten, welche eine gebotene Berücksichtigung vorhandener 
Grundgrenzen, welche die Rücksichtnahme auf solche klimatische Verhältnisse, wie starke 
Windströmungen, hervorrufen, geben oft den gebrochenen und gekrümmten Straßen- 
führungen große Berechtigung. Andrerseits vermag die Durchführung großer Verkehrswege 
und Platzanlagen, das Erfordernis der Disposition monumentaler und dominierender 
Architekturwerke stets die Einhaltung strenger geometrischer Linien zu erzwingen. Darum 
gelten da auch keine Regeln und Vorschriften, sondern es gilt nur planvolles, zielbewußtes 
Vorgehen, das allen Erfordernissen gerecht zu werden trachtet, ohne die Liebe und Hingabe 
für das Problem zu alterieren. 
Die guten, neuen englischen Stadtanlagen geben Unwin das beste Hilfsmittel an die 
Hand, zu zeigen, wie man in einzelnen Fällen zu entscheiden hat und welche Wirkungen 
sich erreichen lassen, wenn die Stadtplanung aus kunstfremden Händen in jene des Archi- 
tekten übergeht. Weil es eben nicht genügt, wenn man einseitig die momentanen Er- 
fordernisse des Wachstums der Städte, der Ausdehnung des Verkehrs, der Hygiene berück- 
sichtigt; weil es unerläßlich nötig ist, daß die Erhaltung vorhandener Schönheit, die 
Anpassung an Bautradition und Baugesetze von künstlerisch empfindenden Faktoren 
geregelt werde, darum ist es auch unerläßlich, daß die Kunst des Städtebaues gepiiegt und 
gefördert werde. 
Den unaufhörlichen Zerstörungen alter, kostbarer Stadtbilder Einhalt zu tun, der 
systemlosen und pietätlosen Verbauung landschaftlich wertvoller Gelände vorzubeugen 
und dem stets wachsenden, stets raffinierter werdenden Wohnungsbedürfnis in geschmack- 
voller Weise abzuhelfen - das sind Ziele, die sich der moderne Architekt gesteckt hat, 
der sich dem Städtebau widmet.
	        
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