Entwicklung des deutschen Ofens stand mit dem Kulturleben der Deutschen
im innigen Zusammenhang. Andre Bilder als die häßlichen Gestalten mittel-
alterlichen Aberglaubens bevorzugte das Minneleben des XV. Jahrhunderts
und der Ofen, der nun seinen Platz auch in den Stuben und Kammern fand,
stand ja in unmittelbarer Nähe dieses Lebens voll Lust und Freude. Die
junge Welt trieb Spiel und Scherz in einer Weise, die unsere heutige
Prüderie verbietet, als sittlichste Form der Sinnlichkeit aber ihres Adels
nicht entbehrt und in der Sittengeschichte heute ihre Würdigung findet.
So wie die Tracht, die jede Linie des Körpers zur Schau trug, mit allem
Raffinement zur Sinnlichkeit aufforderte, sollten auch Bilder aller Art über
Geziertheit und Zimperlichkeit hinweghelfen. Die Blätter des Meisters ES
und des Meisters der Liebesgärten waren weniger schildernd als anregend.
Die gleiche Rolle fiel dem Ofen zu. I-Iölische Sitte und Sinn für Natur und
weltliche Lustspricht aus den Darstellungen, denen wir nun häufig auf den
Kacheln begegnen. Auf einem Tiroler Exemplar reitet ein junges Paar ins
Freie, der Reiter mit der Dame hinter sich im Sattel - wie auf dem Stich des
Meisters bg in der Wiener Kupferstichsammlung (Abb. 83). Die Anregungen
werden wir für diese Zeit überhaupt in den Blättern der frühen Monogram-
misten zu suchen haben. So führt auch eine besonders wertvolle Kachel auf
den Meister ES, der den Gegenstand auf zwei in Dresden und in Wien
befindlichen Stichen behandelt hat (Abb. 85). In beiden Fällen rafft der
junge Mann das Oberkleid
der Dame in die Höhe, um
ihr leichter auf den Fuß
treten zu können. Diese
mittelalterliche Sitte, die
sich übrigens bis in die
jüngste Zeit bei Slawen,
Letten und Esten erhalten
hat, galt als Zeichen des
Antritts der Herrschaft
über das Weib. Der Fuß-
tritt wurde unmittelbar
nach der Trauung also
noch vor dem Altar vor-
genommen. Interessant ist
nun die hierin abweichen-
de Darstellung auf der
Kachel bei Figdor. Die
Dame hat den Brautkranz
vom Kopf entfernt und ist
mit dem Fußtritt ihrem
Vermählten zuvorgekom-
Abb. 92. Grüne Kachel mit der Figur eines Krerins. Salzaclnal, um _
150a. Höhe 0-31 um" men, wodurch ihr nach