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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 6 und 7)

Entwicklung des deutschen Ofens stand mit dem Kulturleben der Deutschen 
im innigen Zusammenhang. Andre Bilder als die häßlichen Gestalten mittel- 
alterlichen Aberglaubens bevorzugte das Minneleben des XV. Jahrhunderts 
und der Ofen, der nun seinen Platz auch in den Stuben und Kammern fand, 
stand ja in unmittelbarer Nähe dieses Lebens voll Lust und Freude. Die 
junge Welt trieb Spiel und Scherz in einer Weise, die unsere heutige 
Prüderie verbietet, als sittlichste Form der Sinnlichkeit aber ihres Adels 
nicht entbehrt und in der Sittengeschichte heute ihre Würdigung findet. 
So wie die Tracht, die jede Linie des Körpers zur Schau trug, mit allem 
Raffinement zur Sinnlichkeit aufforderte, sollten auch Bilder aller Art über 
Geziertheit und Zimperlichkeit hinweghelfen. Die Blätter des Meisters ES 
und des Meisters der Liebesgärten waren weniger schildernd als anregend. 
Die gleiche Rolle fiel dem Ofen zu. I-Iölische Sitte und Sinn für Natur und 
weltliche Lustspricht aus den Darstellungen, denen wir nun häufig auf den 
Kacheln begegnen. Auf einem Tiroler Exemplar reitet ein junges Paar ins 
Freie, der Reiter mit der Dame hinter sich im Sattel - wie auf dem Stich des 
Meisters bg in der Wiener Kupferstichsammlung (Abb. 83). Die Anregungen 
werden wir für diese Zeit überhaupt in den Blättern der frühen Monogram- 
misten zu suchen haben. So führt auch eine besonders wertvolle Kachel auf 
den Meister ES, der den Gegenstand auf zwei in Dresden und in Wien 
befindlichen Stichen behandelt hat (Abb. 85). In beiden Fällen rafft der 
junge Mann das Oberkleid 
der Dame in die Höhe, um 
ihr leichter auf den Fuß 
treten zu können. Diese 
mittelalterliche Sitte, die 
sich übrigens bis in die 
jüngste Zeit bei Slawen, 
Letten und Esten erhalten 
hat, galt als Zeichen des 
Antritts der Herrschaft 
über das Weib. Der Fuß- 
tritt wurde unmittelbar 
nach der Trauung also 
noch vor dem Altar vor- 
genommen. Interessant ist 
nun die hierin abweichen- 
de Darstellung auf der 
Kachel bei Figdor. Die 
Dame hat den Brautkranz 
vom Kopf entfernt und ist 
mit dem Fußtritt ihrem 
Vermählten zuvorgekom- 
 
Abb. 92. Grüne Kachel mit der Figur eines Krerins. Salzaclnal, um _ 
150a. Höhe 0-31 um" men, wodurch ihr nach
	        
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