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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 6 und 7)

Charles Ricketts variiert bekannte malerische Themen. Don Juan und die Statue und 
eine Messalina in seltsam Visionär verlöschender Weise. Gereckt ekstatische Gebärde 
zuckt auf und dabei scheint die Szene zu vergleiten wie ein Traurnbild an der Grenze 
des Erwachens. 
Charles Shannon liebt die Ernailkünste und die Juwelenphantasien, seine Frauen 
sind gleich dämonischen Verkörperungen edler Steine und ihr Haar metallisches Gespinst. 
Charles Conder ist der lllusionist von der Insel der Cythere, eine Watteau-Seele, die 
Opium geraucht und Baudelaire gelesen. Fleurs du mal sind seine Frauen und Fetes galantes 
seine Szenen. Mattschillernder Schmelz alter Seide liegt darüber und der schwimmende 
Flaum der Chine-Blüten. Morbide Grazie wiegt sich in Lauhengängen und zwischen den 
Heckensofliten der Parktheater. Conder schmückt gern die ovalen Bogen der Fächer mit 
solchen Reverien, und so haben wir ihn schon vor einigen Jahren in der reichen und 
physiognomievollen Fächerausstellung von Friedmann und Weber kennen gelernt. 
Die neuen Bestrebungen zu einer puritanisch-primitiven Stilwirkung-in Paris durch 
M. Denis vertreten - erkennt man in Augustus E. john. Er malt die Kindheit des Pyramus 
in einem graublau sandigen Mauerton und die Architektur der Figuren und die Gesten 
zeigen das Maß des Kartonstils auch an Paris erinnemd. 
Unter den Lebenden ist ein Nachlaßstück von Whistler, Creinorne Gardens, worin 
das Flaniereri und Werben im abendlichen Lustgarten bewußt als gespenstisches Schatten- 
spiel in farbiger Dämmerung inszeniert ist. Und die Frauen erscheinen als huschende 
Lemuren und Vampyre. Ähnliche Nachtgesichte - mondäne Totentanzvariationen H 
kennt man von George du Feure und Hennen Anglada. 
An Orlik erinnert der Pariser Caro-Delvaille, der aus einer Volant-Dame, in Kissen 
liegend, ein dekoratives Atlas- und Spitzenstilleben arrangiert, doch ohne den Schleierhauch, 
und dadurch einen Grad zu substantiell. 
Ganz italienischer Präraßaelit ward Friedrich Stahl. Der Kunst der steifen Anmut 
und dem Safran-Goldton der frühenVenezianer ist er hingegeben. Er malt Lagunenfeste und 
Gondelszenen voll gedämpften Glanzes. Die Palazzo-Architekturen der Riva mit schlankem 
Pieilerwerk und Filigrandurchbrueh gleichen in dieser Ziseliermalerei kunstreichen Orgel- 
fassaden oder ziervollen Reliquienschreinen und die Frauen mit Perlbehang und juwelen- 
bestickten Kleidern sind wie Statuetten aus Goldbronze. Und mit prunkendem Anschlag 
klingt in die gelbtonige Harmonie oR ein flammendes Kardinalrot. 
Auch von den breiteren Straßen und aus den großen Sälen der Ausstellung läßt sich 
manches auflesen und verzeichnen. Und es ist gewiß fruchtbarer, mit solcher Finder- und 
Wünschelrutentechnik zu spazieren, statt sich mit der mäßigen Mehrheit und ihrer Vera 
ketzerung langatmig aufzuhalten. 
Von dieser Welt heiße es: „An ihr vorüber gehe, es ist nichts." 
Eine große Saalwand wird sieghaft beherrscht durch das Elanporträt der Misses 
Hunter von john Sargent. Die three sisters, virtuos dos-ä-dos komponiert auf einer Rund- 
causeuse gegen den Hintergrund eines japanischen Paravents, wirken wie ein lebendes 
Bukett. Die schmalen englischen Gesichter stehen eng gebunden und doch flüssig in der 
Halshaltung zueinander; sie sprechen so pointiert ihre Ähnlichkeit und ihre Nuancierung 
aus. Von drei schlanken Hüften wallt breit lüsterspielende Seide herab, und von ihrer 
Flut hebt sich gleichfalls seidig ein schneeweißes Pintscherhündchen ab. 
Das blumenhafte Motiv, den Körper als Vase zu betrachten und den Rumpf aus den 
Hüften aufblühen zu lassen, zeigt noch ein anderes Damenbildnis von Sargent. Sehr degage 
mit dem herzförmigen Ausschnittmieder, das mit den Schultern nur durch schmale juwelen- 
schnüre verbunden ist, und darüber ein maskenhaftes Profilgesicht. 
Interessanter als sonst gibt sich die Repräsentationshalle. Sie übernimmt diesmal die 
Rolle einer Porträtgalerie deutscher Künstler. Sie stellt eine Art Effigie-Stammbuch der 
offiziellen Ausstellungen dar. Retrospektiv ist es und daraus kommt kultureller Reiz. Schon 
im äußeren spiegeln sich die Generationsunterschiede.
	        
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