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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 6 und 7)

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Form. Form mit Farbe auszudrücken, statt Zufälligkeit groß vereinfachte gültige Gestaltung 
zu geben, das lockt dies neue Geschlecht. 
Und ein Dokument dafür stellt sich in dem Hauptbild dieser Ausstellung dar, in 
Ferdinand Hodlers Wandgemälde für die Universität in Jena. Sein Thema ist der Auf- 
bruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg x8x3. Ein monumentales Wandbild, 
wuchtig, geschlossen und voll erhabener Einfachheit. Durch die natürlichen Mittel der 
Bewegung und der Stellung wird die Fläche gegliedert, der Raum rhythmisch erfüllt. 
Horizontal durchschnitten ist das Bild. Die obere Hälfte, ein Fries, zeigt auf dem 
Hintergrund einer in lichten Farben angedeuteten Hügellandscbaft die ausmarschierenden 
Kolonnen. An Reliefs erinnert das, voll Ruhe in der Bewegung und voll einer unendlichen 
Melodie. 
Die untere Hälfte beherrscht ein erregteres Vivacetempo. Aufbruch-Situationen 
geben das Motiv. Und die Stimmung ist: Wohlauf Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, ins 
Feld, in die Freiheit gezogen. 
Durch das Quartett der vier Rosse und der vier jugendlichen Krieger bekommt die 
Basis eine schwingende Gliederung. Der eine steigt zu Pferd, der andere schnallt den 
Tornister auf, der dritte fährt in den Waffenrock, der vierte mit dem bloßen Säbel blickt 
_ so fühlt man _ ins Morgenrot. 
Aus diesen organisch wie von selbst zusammengefigten Gruppen, die sich von dem 
wie unaufhaltsam schreitenden Reihen des Obergrunds abheben, kommt ein echtes 
natürliches Pathos. Die Farbe voll starkem freudigen Klang erweckt die Stimmung von 
Frühschein - die bange Nacht ist nun herum - und neuem Tag und heller Tat und froh- 
mutiger Entschlossenheit. Und all' diese Gefühlswerte werden hier _ darin liegt eben die 
Qualität ä puritanisch streng durch rein malerische Mittel, fern von allem Genrehaft- 
Erzählerischen ausgelöst. 
Jede Generation wählt sich ihren Schutzpatron. Die heutige blickt zu Ce'zanne auf. 
Von ihm hängt in der Ausstellung ein Figurenbild, eine Komposition nackter 
Menschen um den Rand eines Wasserbeckens. Auch hier ist der Reiz, wie durch 
Bewegung, durch Körperfiguration der Raum erfüllt wird und der Inhalt des Bildes ist der 
Zusammenklang von Luft- und Fleischtönen. 
Farbe als Inhalt, ganz abseits vom Stofflichen, lehrt auch das Bild eines andern 
Vielverehrten, das Bücherstilleben von Vincent van Gogh. Ein Haufen gelber broschierter 
französischer Bände auf einem Tisch. Dies Gelb mit roten Tönen durchsetzt, hat ein so 
intensives nuancenreiches Leben, daß es spannt und fesselt. 
Lebhaft angeregt von Cezanne wie auch von Gogh zeigt sich E. R. Weiß, der im 
weiteren durch seine sicheren Buchausstattungen - die große Hauptmann-Ausgabe des 
Verlags Fischer ist von ihm _ bekannt wurde. Hier sieht man weibliche Akte im Freien 
und ein Quittenstilleben von einem atmenden Gelb, die dartun, wie empfangene Anregungen 
persönlich ausgetragen werden können. 
Einen großen Raum nimmt das Porträt ein. Voran steht die Charakteristik des 
Geheimrats Rathenau, des Direktors der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, von 
Max Liebermann. Ein Menschenbild voll gesammelter Energie, ein zusammengeballtes 
Stück tätigen Lebens, dargestellt in einer Persönlichkeit. Streng und kühl ist das Klima 
auf dieser Leinwand, Arbeitsatmosphäre, nüchterner grauer Raum mit hohem Lichtfenster. 
Darin ein schlicht hölzerner Tisch, daran, das Gesicht uns zugewandt, der Mann. Aus 
diesem graubärtigen, bebrillten Gesicht strömt ein Fluidum von Wille und Schaffens- 
leidenschaft, das die frostige Nüchternheit des Raumes atmosphärisch erfüllt. In alle- 
gorischen Perioden hätte man die Luü um einen repräsentativen Mann mit den Sinnbildern 
seines Lebenswerkes bevölkert. Hier in diesem Männerbild voll herber Sachlichkeit hat 
man das Gefühl, daß Pläne, weltumfassende Gedanken ausstrahlend aus diesem Kopf 
durch den Raum Ruten: Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir . . . - Dann tritt man vor 
Kalkreuths Menschen, die alte Dame im Garten und die in der perspektivischen Flucht
	        
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