Märchenschöpfungen sind es in ihrer Mischung aus den phantasievollsten Materialien.
Nephrit, der graugrün glimmemde Stein, wird zu Schalen geschnitten und ausgehöhlt
und in Silber und Gold gefallt und mit Opalen, Amethysten, Türkisen bestickt. Und je kost-
barer die Mittel, um so harmonischer die Anwendung: niemals tritt die Verschwendung
prahlend auf.
Einmal wird solche Nephritschale von einem goldenen Filigrangestell gehalten; in
seinen reich verschlungenen Durchbruchsmotiven ist es den Spindeldecken, den Kloben
alter Uhren verwandt, Smaragden schimmern in dem Netzwerk auf und in dem Quarz-
sockel spielt das Dunkelblau der Arnethysten. Fruchtschalen haben klingende Edelstein-
gehänge; Blütengarben aus farbigen Juwelensplittern sind über die Fläche verstreut und
die schlanken Arme sprießen mit der Grazie von Fontänenstrahlen auf.
Ein Silberbecher ist als Granatapfel gebildet. Seine Wölbung zeigt Reliefmusterung
aus Blattwerk und stilisierten Vögeln. Der Stengel verzweigt sich auf dem Blatte des Sockels
in Wurzelverästelungen und als Füllung liegt darin Malacbit.
Mischung aus Natur und Kunst liebt Riegel. Ein großes, unregelmäßiges, schlangen-
hah geiiecktes Stück Achat wird ihm Ausgangs- und Anregungspunkt für eine Komposition;
er montiert es in Silberfassung, formt dazu eine Dose, auf der es nun als Deckel liegt,
oder er umfiicht ein apartes Mineral, das durch seine Ausbuchtung als Schale dienen kann,
mit steinpointierten Goldspiralen.
Die vielfältigste Mosaik aber stellt das Trinkhorn dar. Die Windungen des dunklen
Hornes sind mit matter Silberauflage unregelmäßig betont. Der Sockel ist Stein mit einer
farbenreichen, welligen Emaililäche, einer Märchengebirgslandschaft; in ihr steht der
Widder, der Träger des Hornes, und seine Bekrönung ist, über eine Silberplatte auf einem
Aufsatz mit Gitterrand aufgebaut, die kniende Figur eines Bogenschützen.
Das sind Werke, die ein seltenes Vollendungs- und Vollkommenheitsvergniigen
auslösen. Felix Poppenberg
ZEICHNENDE KÜNSTE. (Berliner Sezession 190g.) Der Reiz dieser intimen
und exklusiven Ausstellung liegt wieder in der vielseitigen Fülle ihrer Temperamente
und Physiognomien. Strenge herbe Reife und kühne unersättliche Problematik sind in
diesen Räumen vereinigt und für Handschrift und Ausdruck ist nur eines not, daß sie
persönlich, daß sie wesentlich.
Fritz Böhles altmeisterlicheWelt geht in ihrerwuchtigen, erdhaften Sprache, dürerisch,
lutherisch auf; sie spricht von Acker und Scholle, von Säen und Ernten, von den großen
ewigen Einfachheiten des Lebens; sie stellt den Bauern und die dampfenden Gäule mit der
Pilugschar auf das Feld und die Heiligen der rüstigen wirkenden Leute, St. Martin, St. Georg,
und sie spricht: „Kommt wieder, Menschenkinder! . . ." Diese Radierungen und Stein-
zeichnungen in ihrer satten Tiefe, in ihren geballten schwarzen Massen haben selber etwas
von der Erdkrume.
Neben solcher lapidaren Epik die schmetterlingshafte huschige Landschaftslyrik der
impressionistischen Kunst. In den Zeichnungen Paul Baums, in den Aquarellen von Cross
und Signac wird der flüchtige Duft des Vorfriihlings mit der Illusion gaukelnder Leichtig-
keit eingefangen. Baums Striche haben etwas Sprießiges, Signacs schimmrig-tupiige Blüten-
staubtöne etwas Flatterndes: schöner Augenblick der Hüchtigen Erscheinung. So naturecht
der Eindruck, so ist das doch gar kein Abschreiben; vielmehr eine allerletzte Filtration des
sinnlich Empfangenen, ein Entmaterialisieren des Körperlichen in Luft- und Lichtschwingung.
Dies Reduzieren auf den äußersten wesentlichsten Extrakt und sein Ausdrücken mit den
sparsamsten und suggestivsten Mitteln der Graphik zeigen am vollendetsten und darnit
am instruktivsten Liebermanns holländische Strandszenen, energisch und nervös zugleich.
Erna Frank erweist für eine solche Art des Schauens und Reproduzierens großes Talent.
Ihre Pariser Radierungsminiaturen, Plätze, Brücken, Kais mit ihrem Pizzicato, ihrem
Geschwirr der Striche haben fiuktuierendes atmendes Leben.