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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 1)

Ein Schwarzkünstler des Helldunkels ist der Engländer Brangwyn. Er arbeitet mit 
breitiiächig tieftonig aufgemauerten Massen und durch diese geballte Finsternis strömt 
Licht und macht sie transparent. Er liebt die malerischen Motive von Brücken, Häfen, den 
Rhythmus der Arbeit, Verkreuzungen, Überschneidungen. Und sehr charakteristisch dafür 
ist es, wie er die venezianische Maria della Salute von den Masten und Segelstangen der 
Kanalschiffe gleichsam vergittem läßt. 
Aus dem Norden kommt reiche Anregung. 
Zorns Porträte, essentiell, sprühend von geistigem Mouvexnent: Anatole France mit 
dem „langen schmalen Haupt, dessen Profil ein wenig dem eines Pferdes gleich " und dem 
witternden Sammlerauge, das alle Steine von Paris kennt; der Bildhauer Fürst Trubetzkoi 
mit dem scharfgeschnittenen Gesicht, das etwas an die Bilder des Sherlock Holmes er- 
innert; Baron d'Estournelles mit dem Graf Kessler-Typ, dazu Akte von lebendig bewegter 
Gliederung und zärtlicher Haut w weibliche Akte. Larssons, des Schweden, vergnügliche 
Idyllen von Haus und Heim und Kinderglück, echt, rein und herzlich, wie in seinen farb- 
frohen Bildern, so hier in der Schwarz-Weißsprache. Von dem verstorbenen Ernst 
Josephson, dessen Bekanntschaft Hermann Struck vermittelte, sieht man hier seltsam 
Visionäre Zeichnungen, in der beginnenden geistigen Umnachtung entstanden. Ein anderer 
nordischer Visionär, Edward Munch, kommt diesmal mit humoristischen Dämonien. Sein 
Zyklus „Alpha und Omega, eine Geschichte aus der Urzeit oder die zwei ersten Menschen 
auf einer nordischen Insel" stellt eine witzig parodistische Schöpfungsfabel dar. Vor allem 
sind die Tiercharakteristiken voll infemalischer Laune. Gleich seinem imaginären Lands- 
mann, dem Ibsenschen Bildhauer Rubeck, sieht Munch durch die menschliche Maske hin- 
durch das Tier. Und am besten gelingt ihm dies bestialische Erkennen bei seinen Feinden, 
ohne daB er deshalb die Freunde verschont. Einer dieser Freunde verriet mir mit großer 
Sachkenntnis die Modelle dieser Genesis-Menagerie und ihr stupendester Typ war das 
Bonvivantschwein, als animalischer Doppelgänger Gunnar I-Ieibergs. 
Eine graphische Paraphrase zum Buch Judith machte Lovis Corinth, sieben Litho- 
graphien für den Bibliophilendruck der Pan-Presse Paul Cassirers. In den ethnographisch 
wirkenden Farben, dem Blau und Rot und Gelb, in der eigentümlich stumpfen Tönung und 
dem Eckig-Harten der Figuration kommt das Wilde, Grelle, Urzeitliche blutiger Stammes- 
vorgeschichte fühlbar" heraus. 
Große tote Meister, bereits historisch geworden, finden Gedächtnisplätze. Eine Manet- 
Ausstellung spielt hier ein bedeutsames Stück im Stück. Lithographien zur Zeitgeschichte 
erwecken besonderes Interesse. Dann eine Kollektion Radierungen voll mannigfacher 
Gesichter, Repetitionen bekannter Gemälde, Olympia, der Velazquez-Mann im Mantel, die 
Frau mit blühendem I-Iut und Sonnenschirm im Blumengarten, spanische Corrida- und 
Toreromotive, karessante Katzenetuden. 
Anregendes und Fesselndes erscheint auch im jüngeren Nachwuchs. Von j. j. Vries- 
lander _ von dem jetzt bei Erich Reiß eine schöne entwicklungsreiche Sammlung von 
Blättern in einen Band vereinigt herauskam - sieht man Landschaftskizzen, die den 
Rhythmus von Dorfstraßen, die Physiognomie der Bäuxne, Hecken und Zäune in einer sehr 
persönlichen Art, filtrierend, vereinfachend und dabei suggestiv zu einer illusionistischen 
Existenz aus iiiegend Flüchtigen Strichen umsetzen. Rudolf Großrnann bringt Pariser Ein- 
druck vom Variete und „de la rue" in witzig kecken hurtigen Capriccios, man könnte ihn 
in manchen seiner derberen Blätter einen pariserischen Zille nennen. Begabung zu eigenem 
Sehen und ausdruckvoller Handschrift erweist Fritz Lederer. Italienische Landschaften, 
Bergwege, Uferpfade, Klosterhügel gibt er frei als Phantasiereproduktionen, als Visionen 
wieder. Er ist ein Künstler des imaginären Porträts der Natur. 
Die Dekorativen bieten viel Reizvolles. Walser zeigt seine Entwürfe zu den liebens- 
würdigen volksliedinnigen Szenenbildern für „Alpenkönig und Menschenfeind", die das 
Berliner Theater verwendete, den hellen Gartensaal im Grünen, die Waldhütte, Rappelkopfs 
Refugium, den Gebirgskamm mit der steckengebliebenen hochrädrigen Schwindschen
	        
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